0094 - Die flammende Sonne
einige Stunden ... vielleicht.
„Wir geben euch Lebensmittel gegen Atemluft!"
Ceshal lächelte kalt und schüttelte den Kopf.
„Keine Bedingungen stellen, Kommandant! Wenn schon, dann stellen wir sie. Luft ist wichtiger als Essen. Wir halten es also länger aus als ihr. Wenn ihr erstickt seid, brechen wir die Durchgänge auf. Auch haben wir die notwendigen Kenntnisse und Wissenschaftler, den Antrieb zu reparieren. Nun...?"
K-1 nahm den Blick vom Schirm und sah sich in der Zentrale um. Er begegnete ratlosen Gesichtern. Sogar der immer so kluge und selbstbewußte O-1 schien am Ende zu sein. Er zuckte bloß die Achseln.
Der Kommandant wandte sich wieder dem Bildschirm zu.
„Also gut, Ceshal. Ich werde die Trennungsschleusen öffnen lassen. Kommen Sie mit einigen Technikern zu mir in die Zentrale. Wir können hier alles in Ruhe besprechen. Sorgen Sie auch dafür, daß Ihre Leute sich anständig betragen und die Vorratsräume nicht plündern. Ich lasse sonst auf sie schießen."
„Wir besitzen ebenfalls Waffen, das sollten Sie nicht vergessen, Kommandant."
K-1 wunderte sich heimlich darüber, daß Ceshal ihn immer noch „Kommandant" nannte, aber da er keinen anderen Namen kannte, blieb ihm wohl nichts anderes übrig.
„Aber keine Angst. Ich verfüge über fähige Offiziere der ersten Generation. Sie werden für Ruhe und Ordnung sorgen. Aber auch für einen wirkungsvollen Gegenangriff, falls es notwendig sein sollte."
„Schicksal, nimm deinen Lauf!" deklamierte K-1 mit Betonung und gab seinem Ersten Offizier einen Wink. „Wir werden jetzt die Hauptschleuse öffnen. Sorgen Sie dafür, daß die Luftanlage sofort wieder in Betrieb gesetzt wird. Und beeilen Sie sich, in die Zentrale zu gelangen. Uns bleibt nicht mehr viel Zeit."
Die einzelnen Bordkameras, Bildschirme und laufende Interkommeldungen unterrichteten K-1 davon, was im Schiff geschah. Die zehntausendköpfige Besatzung sah der vorerst friedlichen Invasion der Nackten in hilfloser Bestürzung zu, aber als der Strom aus der Schleuse nicht enden wollte, bemächtigte sich ihrer allmählich Verzweiflung. Zwar verloren sich die Eindringlinge in den endlosen Korridoren des Schiffes, aber sie erhielten laufend Nachschub. Offiziere beider Parteien sorgten für Ordnung. Die einen waren an ihren Uniformen, die anderen an umgehängten Decken zu erkennen.
Kommodore Ceshal, Wissenschaftler Ekral, Techniker Tunuter und Kybernetiker Alos wurden von einem Verbindungsoffizier zur Kommandozentrale gebracht. Sie begegneten unterwegs bewaffneten Ordnungstrupps, deren grimmige Gesichter nichts Gutes verhießen. Irgendwo klang neuerlicher Kampflärm auf.
„Es geht schon los", sagte der Offizier besorgt. „Hoffentlich gelangen wir noch rechtzeitig in die Zentrale. Ich kann nicht ..."
Sie erfuhren nie, was er nicht konnte.
Ein neuer Trupp schnell aufgestellter Miliz bog vorn um den Gang. Als der Anführer die vier mit Decken behängten Männer erkannte, brachte er seine Waffe in Anschlag. Vielleicht hielt er den Offizier in der Mitte für den Gefangenen der Ahnen.
„Halt!"
Kommodore Ceshal streckte ihnen die Hand entgegen. Die Soldaten, fünf an der Zahl, waren über die Geste so verblüfft, daß nur einer von dem Trupp dazu kam, seine Waffe abzufeuern. Es war ein ungenauer Schuß, und er traf den Offizier, der Ceshal und seine Leute zur Zentrale bringen sollte.
Über die Toten hinweg eilten sie, so schnell sie konnten, zum nächsten Lift. Es würde nicht gut sein, wenn man sie hier fand. Niemand würde ihnen glauben, daß es Notwehr war. Sogar die Tötung des Verbindungsoffiziers würde man ihnen in die Schuhe schieben.
Sie kannten das Schiff, denn es schienen erst Tage vergangen zu sein, seit sie von den Robotern abgelöst und in den Tiefschlaf versenkt worden waren. Und doch mußten es Jahrtausende gewesen sein.
Jahrtausende, in denen sich ihre Nachkommen vermehrt hatten.
Als sie in die Nähe der Zentrale kamen, hörten sie oben unter der Decke des Ganges die Ventilatoren die schlechte Luft absaugen. Es wurde höchste Zeit, denn man konnte kaum noch atmen. Aus den Schächten kam kühle, frische Luft eingeströmt. Sie brachte Leben und Zuversicht.
Zwei Verwaltungsoffiziere nahmen Ceshal und seine drei Begleiter in Empfang, bevor sie den Zugang zur Zentrale erreichten. Sie verlangten die Waffen.
Ekral schaute finster drein; seine Hand mit der Energiepistole hing schlaff am Körper herab. Niemand konnte ahnen, wie schnell sie oben sein würde. Ceshal
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