Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
0096 - Die Seelenfänger

0096 - Die Seelenfänger

Titel: 0096 - Die Seelenfänger Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gerhart Hartsch
Vom Netzwerk:
die Erkenntnis, daß ihre Tochter nächtlicherweise mit einem fremden Mann unterwegs war oder die Treppe. Jedenfalls griff sie sich ans Herz, taumelte und wäre wohl gestürzt, wenn Nicole ihr nicht zur Hilfe geeilt wäre.
    Anstatt sich aber auf die Helferin zu stützen, griff Moira Hogg beherzt zu. Ihre Patschhändchen klammerten sich um Nicoles Handgelenke.
    »Ich habe sie! Ich habe sie!«, quiekte die Wohlgenährte.
    Wie auf Kommando stürzte Donovan mit seiner häßlichen Frau hinzu. Das Ehepaar hatte sich auf dem langen Korridor versteckt gehalten.
    »Wir müssen sie fesseln, bis Balor sie verarztet hat«, keuchte Moira Hogg. Aufregung und körperliche Anstrengung machten ihr jetzt doch zu schaffen. Sie überließ die Gefangene willig dem Wirt.
    Donovan aber war eine halbe Portion und nicht sehr geschickt. Er und seine Frau behinderten sich gegenseitig.
    So konnte sich Nicole losreißen und flüchten. Sie jagte den Gang entlang, um sich in ihr Zimmer zu retten. Verfolgt von den keifenden heulenden Attentätern.
    Mit knapper Not erreichte Nicole den rettenden Raum, schlug die Tür hinter sich zu und lehnte sich aufamend mit dem Rücken dagegen. Sie bemerkte nicht, daß die Kreuze entfernt worden waren.
    Draußen tobte die wilde Meute, bettelte und drohte. Fäuse trommelten gegen die Tür. Jemand rüttelte wie wild an der Türklinke.
    Langsam öffnete Nicole wieder die Augen.
    Sie schrie auf.
    Im Sessel am Fenster saß unbeweglich eine düstere Gestalt. Über einem schwarzen Ornat ragte drohend und abschreckend die Bocksmaske auf.
    Mondlicht fiel durch das Fenster und spiegelte sich im goldglänzenden Gehörn. Auf der Brust baumelte ein umgekehrtes Kreuzzeichen aus Onyx.
    Langsam erhob sich der Unheimliche.
    In der Hand hielt er eine Art Aspergill. Ein Weihwasserwedel. Gefertigt aus einem bleichen Knochen und einem buschigen Ende aus Ziegenhaaren. Mit diesem Ding berührte er Nicole leicht.
    Sie glaubte zu verbrennen. Sie war gelähmt. Mit einem Wehlaut sank sie zu Boden.
    Der Mann in der Ziegenmaske schritt langsam zur Tür und schloß auf.
    Die drei Ausgeschlossenen sanken bei seinem Anblick in die Knie. In jämmerlichen Ton entschuldigten sie sich für ihr Mißgeschick.
    Der Meister würdigte sie keiner Antwort.
    Er winkte ihnen.
    »Legt sie auf das Bett!«, befahl er.
    »Sofort!«
    Alle drei beeilten sich, den Befehl auszuführen.
    »Kreuzt ihre Hände auf der Brust.«
    Der Hohepriester des Teufelsordens begann mit einer scheußlichen Zeremonie, die für den Betroffenen leicht im Wahnsinn enden konnte.
    Er las in einer unverständlichen Mundart des Gälischen eine Art Schwarze Messe, die dazu diente, die Seele der Gefangenen in den Bann zu schlagen. Dumpfe Beschwörungsformeln unterstützten das Blendwerk. Von Zeit zu Zeit tauchte der Kerl den Wedel in einen Behälter aus Ziegenhaar und spritzte Flüssigkeit in alle vier Himmelsrichtungen.
    Mit Nicole ging eine merkwürdige Veränderung vor sich.
    Sie konnte nicht einmal mehr den kleinen Finger rühren. Aber sie hörte jedes Wort. Sie fühlte sich merkwürdig wohl und eingehüllt in diesen Singsang. Sie gab jeden Widerstand auf.
    Sie sah nur das, was ihr der Mann suggerierte.
    Sie befand sich in einem Turm. Merkwürdige Wesen, halb Mensch, halb Tier umringten und begrüßten sie. Sie wurde herumgeführt wie eine Braut. Auf einem steinernen Thron saß ein Vermummter, der eine goldene Scheibe mit merkwürdigen chaldäischen Zeichen und Symbolen trug. Diese Sonnenscheibe füllte Nicoles Gedächtnis aus, ergriff mit geheimnisvollen Schwingungen Besitz von ihrem Bewußtsein.
    Vergessen war Zamorra. Vorbei der Kampf gegen die Mächte der Finsternis. Eine gespannte Vorfreude erfüllte Nicole. Sie wußte, daß sie die Weihen empfangen würde. Sie willigte ein. Stumm. Sie träumte nur, daß sie die Arme ausstreckte. In Wirklichkeit konnte sie nicht einmal den kleinen Finger rühren. Traum und Wirklichkeit, waren hoffnungslos ineinander verwoben. Nicole konnte sie nicht mehr auseinanderhalten.
    Sie hatte keine Furcht mehr.
    Nur ein unbändiger Wunsch erfüllte sie: zum Turm. Auf dem schnellsten Weg zu Malkins Thron. Niemand hätte sie aufhalten können. Sie war bereit, sich in die Lüfte zu erheben und dorthin zu eilen.
    »Sie ist bereit«, entschied der Zeremonienmeister, nachdem er Nicoles Augenlid hochgezogen und eine Weile prüfend ihre Pupille studiert hatte. Ein süßlicher abstoßender Geruch von den verbrannten Kräutern erfüllte das Zimmer und legte sich

Weitere Kostenlose Bücher