0096 - Die Seelenfänger
merkwürdige Dinge. In der Ferne erklang ein eigentümlicher Singsang. Es duftete wie nach asiatischen Räucherstäbchen. Dazwischen erklang das Schurren von Debbie, wenn sie wieder einen Yard Felsengang hinter sich brachte, mittlerweile auf allen vieren.
»Hörst du nichts?« rief Zamorra.
Die enge Röhre verzerrte seine Stimme merkwürdig. Es klang wie das Krächzen eines Raben.
»Was soll ich hören?« fragte Debbie spöttisch.
»Dieses Singen«, stellte Zamorra fest.
»Das ist der Wind. Er pfeift durch winzige Bohrungen an der Spitze des Turms. Des Teufels Orgel, so nennen wir das.«
»Woher weißt du das alles? Du bist doch nicht das erste Mal hier?« wunderte sich Zamorra.
»Natürlich nicht«, gab Debbie Hogg schnippisch über die Schulter zurück. »Ich habe vor zwei Jahren die niederen Weihen erlangt. Eine Vocatio darf ich zwar nodi nicht durchführen, aber das schaffe ich auch noch. Ich bin nämlich ziemlich ehrgeizig.«
Zamorra mußte wohl oder übel diesen Spott über sich ergehen lassen. Denn ehe er nach dem Geständnis Debbie packen konnte, war sie verschwunden. In diesem Fuchsbau schien es vor Geheimtüren zu wimmeln. Ein Stein schwenkte vor, Debbie schlüpfte durch den Spalt und der Notausgang verschloß sich selbsttätig wieder, ehe Zamorra folgen konnte.
Damit noch nicht genug. Es ertönte ein Poltern und Rumpeln, als breche ein Vulkan aus. Eine zolldicke Felsenplatte fuhr wie in Scharnieren herunter und verschloß den Tunnel hinter dem Professor.
Ihm blieb nur noch der Weg nach vorn. Man trieb ihn also genau dorthin, wo man ihn haben wollte.
Zamorra war sich darüber im klaren, daß diese Bande nichts dem Zufall überließ. Was immer man den Mitgliedern der Sekte an übernatürlichen Betätigungen nachsagte, auf technischem Gebiet waren die Leute auch nicht gerade unbedarft.
Ihr Hauptquartier, der Turm, war präzise und in mühevoller Arbeit ausgebaut und mit sovielen Besucherfallen gespickt, daß ein Ahnungsloser in diesem Labyrinth umkommen konnte, ohne daß eine fremde Hand ihn berühren mußte.
Zamorra jedenfalls zog es — vermutlich war das beabsichtigt — vor, seinen Weg fortzusetzen, anstatt die Steinplatte zu knacken, die ihm den Rückweg abschnitt. Erstens hätte das — bei zweifelhaftem Erfolg — seine Kräfte verschlissen und viel Zeit gekostet und zweitens lockte ihn der Singsang mit magischer Gewalt an.
Er war gekommen, um die Teufelsanbeter bei ihren rituellen Scheußlichkeiten zu beobachten. Nicht, um sich mit den Finessen des Turmes selbst vertraut zu machen.
Bald konnte der Professor sich aufrichten, Zamorra war am Fuße einer Wendeltreppe angelangt. Vorsichtig erklomm er die Stufen. Die ägyptische Finsternis zwang ihn, sich seinen Weg mehr oder weniger zu ertasten.
Dieser Weg wurde offensichtlich nur selten benutzt.
Spinnweben hingen unsichtbar von den Decken und Bögen der sich spiralförmig in die Höhe schraubenden Treppe herab und legte sich eklig und stickig über das Gesicht.
Mit einer Geste des Abscheus wischte sie Zamorra weg.
Die Wände bestanden auch hier aus glattem schwarzem Stein. Die Mauern mußten unerhört dick sein. Kein Laut drang heraus, kein Laut drang herein.
Vorsichtig bahnte sich Zamorra einen Weg durch die Welt des Schweigens. Die nur hin und wieder belebt wurde durch den monotonen Wechselgesang aus dem eigentlichen Versammlungsraum.
Der Schreiber jener Zeilen, die Zamorra ein wenig auf das vorbereitet hatte, was ihn in diesem Bauwerk erwartete, mußte einen anderen Weg genommen haben. Diese Wendeltreppe war nirgends erwähnt.
Zamorra fürchtete bei jedem Schritt eine Falle. Er kannte die Tricks der Pyramidenerbauer, die mit spitzen Pfählen gearbeitet hatten, die senkrecht nach unten fielen, wenn man einen bestimmten Kontakt — meist eine Stufe — berührte. Er wußte von gespannten Bögen mit vergifteten Pfeilen, die man selbst abfeuerte. Oder von Steinplatten, die bei Belastung nachgaben und eine Fallgrube öffneten. Oder eine Steinlawine auslösten, die den Unglücklichen zerschmetterte.
Nichts von alledem geschah.
Zamorra erreichte nach genau dreizehn Stufen eine Art Logga.
Schon vorher hatte ein unruhiger Lichtschein ihm verkündet, daß das Ende seiner Entdeckungsfahrt durch die kühle Wendeltreppe sich dem Ende näherte.
Jetzt stand er auf einer Empore, von der kein Weg wegführte und schaute auf die Gemeinde der Götzendiener herunter.
Niemand schien ihn zu beachten.
Im. Kirchengestühl saßen jetzt weiße
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