0096 - Wir jagten den U-Bahn-Mörder
Mord hier konnte er ja nun wirklich nicht begangen haben. Starke Zweifel hegte ich nicht mehr daran, daß seine Alibi für den 28. 11. und 24. 12. v. J. einwandfrei waren. Ed Bakewell hatte June Tyler nicht erwürgt, er hatte noch nicht einmal einen derartigen Versuch unternommen. Er hatte ihr einen Hieb versetzt, der sie bewußtlos werden ließ. Vielleicht war es eine Kurzschlußhandlung, daß er sie dann aus dem fahrenden Zug warf.
Ich winkte den Fahrdienstleiter der Bahn herbei.
»Ich möchte mal kurz Einblick in den Fahrplan nehmen«, bat ich.
»Bitte, Sir!« sagte er und reichte mir ein Heft.
»Independent System«, las ich. »Eighth Avenue Line. (Washington Heights-Express). From 207th St., Manhattan bis Euclid Ave., Brooklyn.«
Das war die Streckenführung, die mich interessierte. Da hatte ich es .schon. Laut Plan betrug die Fahrzeit zwischen 42nd Street und 34th Street genau eineinhalb Minuten. In diesen 90 Sekunden mußte der Mord passiert sein. Waren wir auch anfangs überrascht, daß der Mörder mitten in der City in Aktion getreten war, so erfuhren wir jetzt von den Bahnbeamten, daß zwischen diesen beiden Stationen erfahrungsgemäß von zehn Uhr abends an bis Betriebsschluß bestimmte Zeiten lägen, in denen die Züge nur eine relativ schwache Besetzung aufwiesen.
War dem Mörder diese Tatsache bekannt gewesen? Wir neigten dazu, das zu bejahen. Es gibt Hunderte von U-Bahn-Stationen in New York. Kannte der Mörder jede einzelne Haltestelle des weitverzweigten U-Bahn-Netzes? Wir zogen auch diese Möglichkeit in Betracht. Aber wenn das zutraf, dann würde es nur um so schwerer sein, den Mörder zu stellen.
Wenn also in diesem Falle ein Raubmord in Betracht kam, dann hatte der U-Bahn-Mörder zweifellos Nachahmer gefunden. Ed Bakewell war einer davon.
Wir besprachen die üblichen Formalitäten mit den Beamten der Mordkommission. Dann machten Phil und ich uns auf den Rückweg.
»Diese Bestie«, sagte der Freund zähneknirschend, als wir wieder den Bahnsteig betraten.
Ich kam nicht mehr dazu, eine Antwort zu geben. Der Stationsleiter winkte uns aufgeregt zu. Er kam uns auf halbem Wege entgegen.
»Der Kollege von der Station Jay Street in Brooklyn hat eben angerufen, Sir!« sagte er und holte tief Atem.
»Was sagt er?« drängte ich.
»Er hält dort einen Zug fest. Fahrgäste haben unter einer Bank eine Damenhandtasche gefunden.«
»Rufen Sie durch: Zug unter allen Umständen vorerst festhalten!«
»Aber könnte man nicht die Tasche…« wandte der Zugabfertiger ein… »…ich meine, da stauen sich schon die Züge auf der Strecke. Der Zug könnte doch ruhig weiterfah…«
Ich schnitt dem Beamten das Wort ab.
»Kommt nicht in Frage«, sagte ich kategorisch. »Ob der Fahrplan durcheinander kommt oder nicht, ist völlig unwichtig. Die Sub bleibt solange stehen, bis wir da sind! Hier ist ein Mord passiert, falls Sie das noch nicht begriffen haben. Haben Sie mich verstanden?«
»Ja — ich weiß! Entschuldigen Sie bitte, Sir!«
»Richten Sie meine Anordnungen aus, dann ist alles okay!«
Wir ließen den verdutzten Beamten stehen und sprangen nach oben. Wir warfen uns in den Wagen, und ab ging es mit heulender Sirene. Im 90-Meilen-Tempo langten wir nach wenigen Minuten in der Jay Street an.
Phil guckte sich beinahe die Augen aus.
»Verdammt, ich sehe hier keine Metro-Station«, knurrte er.
»Achte auf die Hauseingänge«, riet ich und drosselte den Motor.
Nicht jede U-Bahn-Station in unserem schönen Städtchen ist auf Anhieb zu entdecken. Manche Bahnhöfe liegen derart versteckt, daß man erst nach verzweifelter Suche oder durch Befragen von Passanten die Eingänge ausfindig macht.
Zwei Cops, die auf Streife gingen, wiesen uns endlich den Weg. Ich wendete den Wagen und fuhr die Jay Street zurück. Wir waren am Eingang vorbeigefahren.
Wir hetzten in großen Sprüngen die Stufen hinunter, um die verlorene Zeit wieder einzuholen.
Unten auf dem Bahnsteig empfing uns aufgeregtes Stimmengewirr. Die Fahrgäste nahmen zum Teil eine drohende Haltung gegen die Stationsbeamten ein.
»Machen Sie bitte Platz!« rief ich. »FBI!«
Schlagartig verstummte der Lärm.
Drei Buchstaben hatten die Leute zur Ruhe gebracht.
»Na endlich«, stöhnte einer der Bahnbeamten und atmete sichtlich befreit auf. »Lange hätte ich das Theater nicht mehr mitmachen können. Die Leute hätten uns ja beinahe gelyncht!«
Ein anderer raunte mir ins Ohr.
»Wir haben den Leuten noch nichts davon gesagt, daß wieder ein
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