0096 - Wir jagten den U-Bahn-Mörder
neuer Mord passiert ist. Die sind alle noch nicht darauf gekommen, daß der Handtaschenfund damit zusammenhängt.«
»Um so besser«, sagte ich.
In diesem Moment stürmte eine Menge Cops auf den Bahnsteig and schwärmte nach allen Seiten aus. Im Handumdrehen waren die jetzt wieder laut protestierenden Fahrgäste zurückgedrängt.
»Wo ist der Wagen?« fragte ich den Zugabfertiger, während Phil den Cops einige Anweisungen gab.
»Kommen Sie bitte, Sir!« sagte der Beamte und fültrte mich in den letzten Wagen des Zuges, der auf dem rechten Gleis stand.
»Wann ist Betriebsschluß auf dieser Linie?« fragte ich.
Der Beamte blickte auf seine Uhr.
»Laut Fahrplan in vier Minuten, Sir! Aber…«
»Ist ein Abstellgleis in der Nähe?«
»Ja, gleich hinter der Station.«
»Lassen Sie diesen Zug dorthin setzen!« entschied ich.
Der Spurensicherungsdienst der Mordkommission mußte ungestört arbeiten können.
»Hier wurde die Tasche gefunden, Sir!« sagte der Bahnbeamte und wies unter die mittlere Bank des Wagens.
»Haben schon mehrere Leute in den Fingern gehabt, was?« fragte ich und wußte im voraus die Antwort.
»Ja, leider!« gab er verlegen zu. »Wir wußten ja nicht… Es wird so viel in den Zügen vergessen. Unsere Fundbüros sind zum Überlaufen voll, und diese Tasche hätte ja auch vergessen…«
»In Ordnung«, sagte ich und winkte ab.
Phil betrat den Wagen.
»Wenn der Spurensicherungsdienst am Tatort fertig ist, kommen die Männer sofort hierher!«
Ich nickte und öffnete die schwarze lioxcalf-Tasche. Es war ein billiges Ding. Um so mehr überraschte mich der Inhalt. Ich sah in der Damenbrieftasche sieben 50-Dollar-Noten stecken. Außerdem befanden sich noch einige Dollar an Kleingeld in der Geldbörse.
Ich nahm den Reisepaß heraus, schlug ihn auf und starrte auf das Foto. Ich sah blitzende, weiße Zähne und einen vollen Mund. Geschwungene Augenbrauen, lange Wimpern, eine geradezu klassisch schöne Nase und winzige Grübschen in den Mundwinkeln.
»Kein Zweifel«, sagte Phil, der mir über die Schulter blickte.
Es ist ein seltsames Gefühl, wenn man das Gesicht einer Toten gesehen hat und wenig später ein Foto von ihr betrachtet, das sie strahlend und schön zeigt.
»Isabell Hackathorne«, las ich vor. »Am 7. 10. 31 in Milwaukee geboren. Beruf: Elektro-Justiererin. Wohnhaft: 132 Lafayette Avenue, Brooklyn.«
Ich klappte den Paß zu und schob ihn wieder in die Handtasche. Wir sahen uns in dem Wagen um. Es war an sich nutzlos, daß der Spurensicherungsdienst den Wagen unter die Lupe nahm. Tausende von Fahrgästen waren im Laufe des Tages hier herumgetrampelt. Phil dachte wohl dasselbe, dann er sagte: »Schade um die Arbeit, die sich die Burschen machen werden!«
Ich stimmte ihm zu, gab aber zu bedenken, daß man der Presse keine Gelegenheit geben durfte, uns einer Unterlassungssünde zu bezichtigen. Die Zeitungen verspritzen schon ohnehin reichlich Gift in diesen Tagen.
Die Befragung einiger Fahrgäste brachte uns auch nicht weiter. Sie hatten lediglich die Handtasche unter der Bank gefunden. Mehr nicht. —Die nächsten Tage verbrachten wir In ohnmächtiger Wut. Wir kamen nicht einen Schritt vorwärts. Ed Bakewell hatte für die fraglichen Tage ein einwandfreies Alibi. Es gab mühselige Kleinarbeit, Rückfragen am laufenden Band. Die Akten über die U-Bahn-Morde schwollen an. Die Bevölkerung wurde über Funk und Fernsehen um Minfahndung nach dem Mörder gebeten. Wir hatten stundenlange Konferenzen mit den leitenden Herren der U-Bahn-Verwaltung. Die FBI-Zentrale in Washington stellte hundert G-men für eine Großaktion ab.
»Ovales, volles Gesicht, mittelgroß, schadhafte Zähne.«
So lautete die übereinstimmende Beschreibung des Mannes, der in den letzten Monaten mindestens hundertfünfzigmal Frauen in U-Bahn-Zügen angesprochen oder belästigt hatte. War er der U-Bahn-Mörder? Wir wußten es nicht, aber wir mußten diese Spur verfolgen. Nur — sie hatte uns bis jetzt noch nicht weiter geführt. Den Zeugenaussagen nach mußte dieser Mann etwa 50 Jahre alt sein. Im Verbrecheralbum konnte er nicht entdeckt werden. Unter der Assistenz der Zeugen mußten verschiedene Zeichner Bilder nach den Beschreibungen hersteilen. Aber auch das führte zu nichts. Anscheinend hatte der Mann ein Durchschnittsgesicht. Er hatte keinerlei auffällige Merkmale, und erfahrungsgemäß werden Dutzendgesichter nur allzu schnell wieder vergessen. Und die Kleidung des Mannes? Ein dunkelgrauer Raglanmantel, ein
Weitere Kostenlose Bücher