0096 - Wir jagten den U-Bahn-Mörder
seinen Mantel und zog die Schildmütze ins Gesicht.
»Gehst du schon wieder weg?« keifte die Frau. »Jeden Abend gehst du aus dem Haus. Du kannst mir doch nicht sagen, daß du immer in die Kneipe gehst! Man kann ja schließlich riechen, ob du was getrunken hast oder nicht. Wo treibst du dich denn immer herum? Hast du irgendwo ‘ne Freundin sitzen?«
Mrs. Bakewell war es anscheinend gewöhnt, daß ihr Gatte sie weder eines Blickes würdigte, noch daß er auch nur eine einzige Antwoit auf die vielen Fragen gab.
Der Mann verließ schweigend Wohnung und Haus und trat auf die Hinsdale Street hinaus.
Es war Sonnabend, 22 Uhr 30. Ed Bakewell trottete gesenkten Hauptes durch die stille Seitenstraße East New Yorks. Er war 52 Jahre alt, mittelgroß, vierschrötig. Sein klobiges Gesicht war ausdruckslos und sein Blick stumpf.
Er kam an einem Kino vorbei. Eben war eine Vorstellung beendet, und der Schwall der Besucher ergoß sich auf die Straße. Ed Bakewell ließ sich mit dem Strom der Menschen willenlos in die Pennsylvania Avenue schieben. Allmählich lichteten sich die Reihen, und bald war der Mann wieder allein.
Ziellos schlich er weiter, bis er plötzlich an einem U-Bahneingang vorbeikarn.
Er blieb stehen und stand eine ganze Weile da wie angewurzelt. Ob's heute klappt, überlegte er. Es muß klappen, dachte er energisch.
Ed Bakewell schob unnütze Gedanken beiseite und konzentrierte sich auf seinen Plan. Als er die Stufen zur U-Bahn-Station hinabschritt, war er hellwach. Zeit lassen, dachte der Mann und zwang sich zu eiserner Ruhe. Nichts überstürzen!
Er löste eine Fahrkarte und schritt den Bahnsteig entlang. Noch zu früh, dachte er, als er im Zug saß. Viel zu belebt. Na, macht nichts. Fahren wir erst mal bis Endstation, 242. Straße — Van Cortlandt Park…
***
242. Straße — Van Cortlandt Park, stand auf dem Schild des U-Bahn-Einganges, vor dem die 32jährige Plätterin June Tyler unschlüssig stehenblieb. Nehme ich nun die Sub oder ein Taxi, überlegte sie. Ach, die Yellow-cabs sind zu teuer, das ist nichts für eine Frau meines Standes. Ich habe ja höchstens noch fünf Dollar in meinem Portemonnaie, und die müssen reichen bis Montagabend.
June Tyler trat an den Fahrkartenschalter.
»Bitte, wie weit ist es bis zur Dyckman Street?«
»Die sechste Station, Mylady!«
»Thank you very much!« dankte sie, bezahlte und ging durch die Sperre.
Sie kicherte in sich hinein. Mylady, hat der Ticketverkäufer gesagt. Wenn der wüßte, daß ich mir den Pelzmantel nur von meiner Freundin gepumpt habe, hätte er nicht Mylady gesagt.
June Tyler zwängte sich durch die mittlere Tür des letzten U-Bahn-Wagens.
Gleich darauf hob der Stationsvorsteher die Kelle, der Zug setzte sich schnell in Bewegung.
June Tyler kuschelte sich in den geliehenen Pelzmantel. Sie wollte sich in der Dyckman Street mit ihrem Freund treffen, den sie erst seit zwei Wochen kannte und dem sie mit dem Persianer imponieren wollte.
So leer die Bahn, dachte sie. Äußer ihr war nur noch ein älteres Ehepaar im Wagen. Wenn nun der U-Bahn-Mörder…? Unsinn, dachte June Tyler und lächelte über sich selbst. Der soll sich mal an mich heranwagen, dann kann er mal meine Hände zu spüren kriegen, die von morgens bis abends das schwere Plätteisen schwingen.
Dann lachte sie wieder über sich selbst. Sehr schnell kehrte sie wieder auf den Boden der Tatsachen zurück und dachte an ihr bevorstehendes Rendezvous.
238th Street.
Das ältere Ehepaar stieg aus und herein trat ein Mann, der tief ins Gesicht gezogen eine Schildmütze trug…
***
Mit einem Blick erfaßte Ed Bakewell die Lage.
Seine Gedanken überschlugen sich beinahe.
Nur eine Frau im Wagen, und er selbst natürlich.
Die Frau hatte einen Pelzmantel an.
Wenn sie einen Persianer trägt, überlegte Ed Bakewell, wird sie auch Geld haben. Viel Geld, Wieviel? Hundert Dollar, zweihundert, fünfhundert, tausend? Lassen wir's drauf ankommen! Aber sie wird schon Geld haben, sie sieht danach aus. Sie riecht förmlich nach Moneten!
Der Zug hatte schon wieder einige hundert Yards zurückgelegt. Ed Bakewell war an der Tür stehengeblieben und musterte verstohlen die Frau.
Also los, jetzt oder nie!
Nein, sagte er sich. Warten wir noch ein wenig. Weshalb fährt sie denn mit der Sub? Wenn sie Geld hat, hätte sie doch ein Taxi nehmen können?!
Er wurde schwankend.
Da tauchte die nächste Station auf, 231. Straße…
***
Als der Zug mit knirschenden Bremsen zum Stehen kam, hastete ein
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