0098 - Im Labyrinth der grünen Henker
berührte Zamorras linke Wange. Der frische Duft ihres Körpers stieg ihm in die Nase. Zamorra wandte den Kopf, und die Gedanken an Nicole Duval traten in den Hintergrund.
Das Amulett auf Zamorras Brust prickelte. Evita Arajo, die einen blauen Kostümrock, eine weiße Bluse mit rotem und grünem Blumenmuster und große goldene Ohrringe trug, war sehr reizvoll. Und sie hatte noch mehr, Stil, Eleganz, eine besondere Art, die sie von anderen Frauen unterschied.
Zwischen ihr und Zamorra waren Vibrationen, Sie sendete Signale aus, die er empfing, und umgekehrt. Die meisten Menschen blieben sich gleichgültig. Manche waren sich vom ersten Moment an unsympathisch. Wenige stark zueinander hingezogen.
So war es bei Zamorra und Evita Arajo. Evitas Gesicht näherte sich dem Zamorras. Ihre Lippen streiften die seinen. Dann lehnte sich die schöne Frau im Flugzeugsitz zurück und schloß die Augen.
Ein Lächeln spielte um ihre Lippen. Zamorra empfand Unruhe und leichte Gewissensbisse, wenn er an Nicole Duval dachte.
***
Alonzo Gonzeiras betrachtete wütend seinen magischen Spiegel. Was er auch anstellte, die Oberfläche blieb trüb. Er konnte nicht herausfinden, wo Zamorra und seine Gefährten waren und was sie gerada taten. Nicole Duval betrachtete Gonzeiras interessiert.
Sie befanden sich auf der Terrasse vor der Palast-Villa des Macumba-Oberpriesters von Recife. Die Villa lag in einem sorgfältig gepflegten Park. Eine hohe Mauer umgab das Grundstück. Vier Knochenmänner — grüne Henker — patrouillierten ständig im Park.
Doch von den Einwohnern von Recife hätte sich ohnehin keiner hergewagt.
Nicole hatte ein orangerotes Brusttuch um den Oberkörper geschlungen, das Schultern und Nabel freiließ. Shorts zeigten ihre langen, wohlgeformten Beine. Sie lag auf der Hollywoodschaukel. Alonzo Gonzeiras, mit einem weißen Jeansanzug angetan, saß am Swimmingpool.
Die beiden wirkten auf den ersten Blick wie ein Urlaubspaar. Doch dieser Eindruck trog gewaltig. Gonzeiras’ weiße Villa war, wie sie so in der Mittagssonne lag, kein düsteres Spukschloß, aber darum nicht weniger schrecklich.
Diese Mauern bargen das Grauen, Schmerz und Qual.
Nicole hatte am Morgen erfahren, daß es Zamorra und Bill Fleming gelungen war, Alonzo Gonzeiras’ Mordanschlag zu entgehen. Wie es genau zugegangen war, wußte Nicole nicht. Sie hatte sich gehütet, ihre Freude und gewaltige Erleichterung zu zeigen.
Gonzeiras fluchte.
»Ein Gegenzauber«, sagte er und runzelte die Stirn. »Ob er von Zamorra stammt? Die Gegenseite ist aktiver, als ich dachte. Aber ich bin auch nicht müßig gewesen und habe Cumbachos dämonische Kraft auf die rechte Weise genutzt. Wenn Zamorra und Konsorten noch einmal dieses silbrige Pulver gegen die grünen Henker anwenden, werden sie ihr blaues Wunder erleben.«
Er hatte Französisch gesprochen. Die Vorstellung, daß er etwas ausgeheckt hatte, woran Zamorra und seine Gefährten sich die Zähne ausbeißen würden, erheiterte ihn ein wenig. Er legte den Spiegel weg und rief nach der Duena.
Eine Negerin mit weißer Schürze und stumpfem Blick erschien.
»Bring mir eine Schüssel mit frischem Wasser, einen Hahn und ein scharfes Messer«, verlangte Gonzeiras. »Aber schnell.« Die Duena eilte weg, und Gonzeiras wendete sich Nicole Duval zu. »Ich will doch einmal sehen, ob ich nichts über Zamorra herausfinden kann.«
Ungeduldig spielte er mit dem silbernen Ring an seiner rechten Hand. Im Park leuchteten im Schatten der Bäume und unter den Palmgewächsen Hibiskus-, Oleander-, Jacaranda- und andere Blüten. Auf Baumstämmen wuchsen bunte Orchideen.
Blumenduft erfüllte den Park, und Schmetterlinge und Kolibris flogen umher. Nicole sah bunte Vögel, aber keiner von ihnen flog näher als zehn Meter an das Haus heran. Und wo einer der grünen Henker auftauchte, die sich auf ihren Kontrollgängen lautlos bewegten, flohen die Vögel, wie auch die Schmetterlinge.
Nicole konnte die Schönheit des Parks nicht genießen. Ein unterschwelliges Grauen hatte sich in ihr eingenistet. Es kostete sie die größte Mühe, Gonzeiras gegenüber unbefangen zu erscheinen.
Die schwarze Duena kehrte zurück. Sie hielt eine Emailleschüssel mit klarem Wasser in den Händen, hatte den Hahn mit den zusammengebundenen Beinen unter den rechten Arm geklemmt und ein langes scharfes Messer hinters Schürzenband geschoben.
»Hier, gnädiger Herr.«
Sie stellte die Schüssel vor Gonzeiras auf den Tisch und legte das Messer hin. Die Duena
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