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0099 - Hexennacht

0099 - Hexennacht

Titel: 0099 - Hexennacht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Traute Maahn
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Regisseur.
    Die Schminke auf ihrem Gesicht zerrann, während er sich mit dem Kamerateam wegen einer Halbtotalen in den Haaren lag.
    Harriet Gilbert hatte Lust, der Pappdekoration einen Fußtritt zu verpassen, so zornig war sie.
    Dann war ihre Geduld zu Ende. Sie wollte auf Don Kelly zugehen, und ihm ihre Meinung sagen, da stieß sie mit June Atkins zusammen.
    »Aus dem Weg«, zischte Harriet.
    June erblaßte unter der Schminkschicht und trat rasch zur Seite. Sie war ein neunzehnjähriges Starlet mit einer unverdorbenen Schönheit und spielte die Zofe der Millionärin.
    Harriet Gilbert war stehengeblieben. Ihr blondes, gewelltes Haar war zerzaust und plattgedrückt. Ihre Wut mußte sich entladen — jetzt und hier.
    »June?« sagte sie gedehnt und blitzte aus kalten Kristallaugen das Starlet an.
    »Ja, Miß Gilbert.« June Atkins kam schüchtern näher.
    »Ich habe schon ein paarmal gemerkt, wie verächtlich du mich immer musterst!« Der Star trat auf das schmale, dunkelhaarige Mädchen mit den sanften Rehaugen zu. »Schau mich nicht so an«, tobte Harriet los. »Tu nicht so, als könntest du kein Wasser trüben. Du neidest mir diese Rolle, gib es doch zu.«
    »Aber nein, Miß Gilbert.«
    »Lüg nicht«, kreischte Harriet Gilbert. »Alle belügen mich und sind unhöflich und frech und widerwärtig zu mir…«
    Das Starlet erstarrte. Man hatte sie vor den Launen der Diva gewarnt, aber sie hatte es nicht glauben wollen.
    »So eine Rolle bekommt man nur, wenn man etwas kann«, fauchte Harriet Gilbert. »Ja, klappere nur mit deinen Augendeckeln und spiele die Unschuldige. Du intrigierst gegen mich. Du hetzt das Ensemble auf, du…«
    »Nein!« flüsterte June Atkins.
    Aber Harriet kannte sich nicht mehr. Sie war wie eine Rasende, trat auf June Atkins zu und schlug mit beiden Händen auf sie ein.
    Das Starlet schrie auf.
    Erst jetzt wurde der Regisseur aufmerksam. Mit langen Schritten kam er auf die beiden Frauen zu, zerteilte die Menge, die sich gebildet hatte, und riß Harriet Gilbert zurück.
    »Was, zum Teufel, ist hier eigentlich los?« herrschte er den Star an.
    »Wirf sie raus! Gib ihr die Kündigung«, schrie Harriet. »Sie sinnt nach Bösem. Sie will mir schaden. Feuere sie… ich will es, Don!«
    Es war totenstill im Atelier. Man erzählte sich Legenden vom Temperament der berühmten Diva. Keine brachte Liebesszenen so hinreißend und schmelzend auf das Zelluloid wie sie. Alle Achtung, dieses Weib war ein Naturereignis.
    Don Kelly packte Harriet bei den Händen.
    »Ich werde sie nicht entlassen. Sie ist viel zu klein und unbedeutend, um dir, einer Harriet Gilbert, schaden zu können«, sagte er eindringlich, und man merkte ihm an, daß sein Nervenkostüm hauchdünn war. »Können wir endlich anfangen?«
    Harriet stieß ein böses Lachen aus. »Das ist ein Witz, Don. Seit einer halben Stunde schwitze ich in meinem Kostüm, weil du dich mit dem Kamerateam nicht einigen kannst. Und da fragst du mich, ob…«
    »Geschenkt«, winkte Don ab. »Maskenbildner… kümmert euch um Miß Gilberts Make up. Aber ein bißchen schnell, wenn ich bitten darf.«
    Jemand reichte ihm eine geöffnete Colaflasche, die er zerstreut an die Lippen setzte.
    Dann sah er es als erster im Atelier.
    Er wollte es nicht glauben. Er weigerte sich einfach, einzusehen, daß…
    »Zurück«, brüllte er und riß den Arm warnend hoch, »dort oben… Achtung…« Seine Stimme erstickte in einem Gurgeln.
    Der Ruf kam für zwei Menschen zu spät. Der Scheinwerfer, der in großer Höhe an schweren Gelenkarmen von der Decke hing, hatte sich gelöst und raste mit voller Wucht auf zwei Atelier-Arbeiter nieder. Sie wurden von dem ungeheuren Gewicht auf den Boden gequetscht und starben sofort, ohne daß ihnen noch bewußt wurde, was geschehen war.
    Entsetzen breitete sich im Studio aus. Die Menschen waren zurückgewichen.
    Ihre Gesichter waren blaß. In den Augen leuchtete die Panik.
    Wie leicht hätte es einen von ihnen treffen können!
    Harriet Gilbert drängte sich vor, taumelte auf die Unglücksstelle zu, stoppte aber im allerletzten Augenblick vor den Leichen und den Splittern des in viele Einzelteile zerbrochenen Scheinwerfers.
    Dann hob sie die Arme und stieß einen hohen, gellenden Schrei aus, bei dem allen, die sich im Atelier befanden — und es waren etwa fünfzig Personen — das Blut in den Adern gefror.
    Später, als Augenzeugen über diese Szene berichteten, die nicht im Drehbuch stand, sagte einer »Als Miß Gilbert schrie, hörte man ein

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