01 Arthur und die vergessenen Buecher
konnte ihnen gerade noch entwischen und floh in die Schuttersgalerij. Dort stieß ich auf Gerrit und Larissa. Als ich erleichtert auf sie zuging, gab Gerrit ein Zeichen und die Bartträger kletterten aus den Gemälden heraus, um mit vorgestreckten Hellebarden auf mich zuzukommen. Larissa hatte sich umgedreht und verließ mit Gerrit den Raum durch die andere Tür.
Draußen war es inzwischen Nacht geworden. Erneut rannte ich durch die Straßen, bis ich zu einem Buchgeschäft kam, das dem des Bücherwurms ähnelte und in das ich mich flüchtete. Drinnen war kein Mensch zu sehen. Aus dem Hinterzimmer hörte ich eine dunkle Stimme, die meinen Namen rief. Sie klang wie die Stimme des Bücherwurms, andererseits aber auch wieder nicht. Ich wollte den Laden verlassen, aber die Tür ließ sich nicht mehr öffnen. Dann gingen plötzlich alle Lichter aus. Ich stand im Dunkeln und hörte ein lautes Schlurfen, das sich auf mich zubewegte. Ich wollte schreien, bekam aber keinen Laut heraus. Genau so schlagartig, wie es verloschen war, ging das Licht wieder an. Ich war geblendet – denn ich starrte genau in die helle Morgensonne, die durch mein Dachzimmerfenster schien. Meine Decke lag auf dem Boden, und mein Bettlaken war schweißnass und zerwühlt.
Ich atmete einige Male tief durch und lauschte. Durch das geöffnete Fenster drangen die üblichen Geräusche der Stadt herein: Automotoren, Fahrradklingeln, Musikfetzen, Stimmen, das Klappern von Mülltonnen und das Knattern von Mofas.
Ich rappelte mich auf und warf einen Blick aus dem Fenster. Das Erste, was ich sah, war Wasser. Einen Moment stutzte ich, dann fiel mir wieder ein, dass van Wolfens Haus ja an einer Gracht lag. Ein paar kleine Boote tuckerten gemächlich vorbei und rundeten das Klangbild ab.
Ich tappte zu meiner Zimmertür und zog sie vorsichtig auf. Der Traum hing mir noch im Kopf. Aber draußen wurde ich nicht von finsteren Schatten begrüßt, sondern vom Duft frischgebackener Pfannkuchen.
Larissas Zimmertür war geschlossen. Vielleicht schlief sie also noch. Ich eilte ins Bad, das nur halb so groß war wie mein Zimmer, duschte schnell und zog mir frische Sachen an. Dann folgte ich dem verlockenden Duft.
Er führte mich geradewegs in die Küche, wo Larissa bereits dabei war, einen riesigen Pfannkuchen mit Marmelade zu vertilgen. Jan drehte sich am Herd um, als er mich eintreten hörte.
»Guten Morgen, Arthur! Du kommst gerade richtig. Magst du auch einen Pfannkuchen?«
»Gern«, antwortete ich und setzte mich an den Tisch. »Gut geschlafen?«, fragte ich Larissa.
»Abdäume«, brummelte sie mit vollem Mund. Das sollte wohl Albträume bedeuten.
»Willkommen im Klub«, sagte ich.
Die Tür öffnete sich, und van Wolfen kam herein. »Guten Morgen, guten Morgen!«, rief er. »Wie ich sehe, macht ihr schon Bekanntschaft mit Jans außergewöhnlichen Pfannkuchen. Machst du mir auch noch einen?«, fragte er seinen Lebensgefährten.
» Je moet op je buikje oppassen «, antwortete Jan gut gelaunt.
»Ach was, ach was. Mein Bauch wird von einem Pfannkuchen mehr oder weniger nicht dicker oder dünner«, gab van Wolfen zurück.
Jan brachte den Teller mit meinem Pfannkuchen an den Tisch.
» Eet smakelijk «, sagte er.
Das konnte sogar ich verstehen – und ließ es mir nicht zweimal sagen. Ich suchte mir eine der Marmeladen auf dem Tisch aus, deren Farbe mir am meisten zusagte und verstrich sie auf dem Pfannkuchen. Dann säbelte ich mir ein großes Stück ab. Der Teig war luftig und locker, die Marmelade schmeckte frisch und fruchtig. Kurz: Es war ein Genuss. Jan servierte uns noch zwei große Tassen mit frisch zubereitetem Kakao mit Schlagsahne, der ebenfalls alles toppte, was ich bis dahin an Kakao getrunken hatte.
Wir aßen und tranken schweigend. So gut hatte ich selten gefrühstückt. Als ich fertig war, lehnte ich mich satt und zufrieden zurück. In diesem Augenblick fühlte ich mich wie im Urlaub und nicht wie auf der Jagd nach einem verschollenen Buch.
Nach dem Frühstück verschwand van Wolfen, um kurz darauf mit einem alten Buch und einer Aktenmappe unter dem Arm wiederzukommen. Während Jan den Tisch abräumte, tippte er mit dem Finger auf das Buch.
»Dies sind die Memoiren des Comte du Vallac. Das Buch ist 1822 in einer Auflage von nur 50 Exemplaren erschienen. Wahrscheinlich hat der Comte es lediglich zur Befriedigung seiner Eitelkeit drucken lassen, denn ein Schriftsteller war er wahrlich nicht, und der Inhalt dreht sich hauptsächlich um seine
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