01 Arthur und die vergessenen Buecher
Eindruck machte, trug Jan ein ständiges Lächeln auf den Lippen.
»Damit ihr versteht, was hier vorgeht, muss ich euch eine kleine Geschichte erzählen«, ergriff van Wolfen das Wort. »Sie reicht weit zurück in die Zeit, als Larissas Großvater und ich als junge Buchhändler in einem Antiquariat in einer großen Stadt arbeiteten.«
Er faltete die Hände auf dem Tisch und lehnte sich vor. »Außer dem Besitzer, Johann und mir gab es noch eine weitere Kollegin. Wir kannten uns alle von der Universität. Johann und sie standen sich dort schon nahe; irgendwann wurden sie dann ein Paar. Ich weiß bis heute nicht, ob es nur die Flucht vor der Einsamkeit war, die die beiden zusammenbrachte oder wirkliche Liebe.
Die Kollegin, sie hieß Sylvia, war besessen davon, alles über die sogenannten Vergessenen Bücher in Erfahrung zu bringen. Die Suche forderte unsere ganzen antiquarischen Fähigkeiten heraus, und wir halfen Sylvia so gut wir konnten. Es gelang uns, eine Liste der Vergessenen Bücher zu erstellen, die insgesamt 13 Titel umfasste.
Es dauerte ein Jahr, bis wir endlich auf eine erste konkrete Spur stießen. Ich hatte schon damals erste Zweifel, ob es richtig war, diese Bücher aufzuspüren. Zahlreiche Menschen, denen ich bei meiner Suche begegnet war, hatten mir davon abgeraten. ›Die Vergessenen Bücher bringen nur Unheil‹ – das sagte mir ein alter Mönch, der selbst zwanzig Jahre seines Lebens mit der Jagd nach ihnen vertan hatte.
Aber Sylvia war gegenüber solchen Argumenten taub. Heute weiß ich, dass sie schon damals von dem Gedanken besessen war, Macht zu besitzen. Ihr ging es ausschließlich um ihre eigenen Ziele.
Johann war leider noch nicht so weit. Gemeinsam mit Sylvia machte er sich auf die Reise in ein winziges Bergdorf in den Pyrenäen, wo eines der Bücher angeblich versteckt sein sollte. Der Altar der Dorfkapelle war aus Stein und innen hohl. Er sollte eine Reliquie aus der Zeit Jesu enthalten. Genau dort würde sich das Buch, das wir suchten, nach Sylvias Meinung befinden. Ihr Plan war, in der Nacht in die Kapelle einzudringen, den Altar aufzubrechen, das Buch zu nehmen und zu verschwinden.
Johann hatte inzwischen starke Skrupel bekommen und seine Zweifel wuchsen von Minute zu Minute, doch gleichzeitig war er begierig danach, das Buch, nach dem wir so lange gesucht hatten, in den Händen zu halten. So half er Sylvia, die Truhe aufzubrechen und das Buch zu stehlen.«
Van Wolfen schwieg, erschöpft von seinem langen Vortrag.
»Und was ist dann passiert?«, fragte ich.
Er machte eine müde Handbewegung. »Johann ist es tatsächlich gelungen, Sylvia das Buch abzunehmen, ohne dass sie es merkte. Seitdem hasst sie ihn mehr als alles andere auf der Welt.«
»Was ist denn aus dem Buch geworden?«, wollte Larissa wissen.
»Das musst du deinen Großvater selbst fragen. Er hat es uns nie erzählt. ›Es ist besser, ihr wisst so wenig wie möglich darüber.‹ Das waren seine Worte, wann immer wir auf das Thema zu sprechen kamen.«
Ich dachte darüber nach, warum van Wolfen uns diese Geschichte erzählt hatte. »Diese Sylvia – sie ist wieder aufgetaucht, oder?«
Er nickte. »Sie nennt sich jetzt Madame Slivitzky. Wir verfolgen ihre Aktivitäten seit Jahren aus der Ferne. Sie hat nie aufgegeben, nach den Vergessenen Büchern zu suchen. Diesmal hat sie ihre Söhne geschickt, um Johann einen Besuch abzustatten. Denn sie macht sich schon lange nicht mehr selber die Finger schmutzig, sondern schickt ihre missratenen Sprösslinge vor. Dummerweise haben sie bei ihrem Besuch bei Johann sein Heft mit Aufzeichnungen zu den Vergessenen Büchern gefunden. Zum Glück weiß Sylvia nicht, welche Spur wir gefunden haben – nur, dass sie sich in Amsterdam befindet.«
Ich hatte eine plötzliche Eingebung. »Die Söhne dieser Sylvia – wissen Sie, wie die beiden aussehen?«
»Sam und Ham?« Van Wolfen nickte. »Sie treiben sich ab und zu auf antiquarischen Kongressen herum. Ham ist der Clevere. Er ist klein und dicklich und hat eine Glatze. Sam hingegen ist lang und hager und ist an seiner langen Narbe auf der rechten Wange sofort zu erkennen.«
»Ha!«, rief ich, zu Larissa gewandt. »Dein netter Antiquar im Zug war niemand anders als Ham Slivitsky. Hermann Hammer . Und der Narbengrufti, der uns verfolgt hat, war sein Bruder Sam!«
»Das habe ich auch sofort gedacht, als ihr vorhin von euren Abenteuern berichtet habt«, sagte van Wolfen mit bekümmerter Miene. »Sie sind schnell, das muss man ihnen
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