01 Arthur und die vergessenen Buecher
hinterher.
Larissa atmete hörbar durch. »Das dürfte uns ein paar Minuten eingebracht haben«, sagte sie. »Es ist besser, wir verlassen das Boot so bald wie möglich.«
Am Rand der nächsten Gracht, in die wir einbogen, erkannte ich die kleinen Häuschen des Jordaan. Wir suchten uns einen freien Platz an einer Anlegetreppe. Larissa stellte den Motor aus und zog den Schlüssel ab, während ich das Boot an einem Poller vertäute. Dann liefen wir die Stufen hoch und verschwanden um die nächste Ecke.
Keuchend lehnten wir uns gegen die Hauswand. Der Schock saß mir noch tief in den Knochen. Um ein Haar wären wir zerquetscht worden. Ich bewunderte Larissa für ihre Reaktionsschnelligkeit.
»Hey, das vorhin, das war große Klasse«, sagte ich.
»Danke.« Sie lächelte mich an. »Ich glaube, so viel Angst hatte ich noch nie in meinem Leben.«
»Das beruhigt mich. Ich hatte mich schon gefragt, wo du deine Nerven versteckt hast.«
Ich schielte vorsichtig um die Ecke – und zog meinen Kopf sofort wieder zurück. Die Slivitskys bogen gerade in die Gracht ein. Wir drückten uns in einen benachbarten Toreingang und hielten die Luft an. Würden sie unser Boot an der Anlegetreppe bemerken?
Das Geräusch ihres Motors wurde lauter.
Jetzt mussten sie kurz vor der Anlegetreppe sein.
Noch lauter.
Jetzt mussten sie auf der Höhe des Anlegers sein.
Noch lauter.
Jetzt mussten sie auf der Höhe der Straße sein, in der wir uns versteckten.
Ich atmete vorsichtig aus. Noch eine halbe Minute, und sie würden vorbei sein.
In diesem Augenblick klingelte in Larissas Tasche Jans Mobiltelefon.
Die Augen
Einen Moment lang stand die Welt still.
Dann fischte Larissa das Telefon aus ihrer Tasche und drückte die Annehmen-Taste. Das Klingeln hörte auf.
Ich lauschte nach dem Motor. Täuschte ich mich oder war das Geräusch leiser geworden? Hatten sie tatsächlich nichts gehört und waren weitergefahren? Vorsichtig steckte ich den Kopf aus der Einfahrt und blickte zur Gracht hinunter. Von den Slivitskys war nichts zu sehen. Wir waren gerettet.
Larissa hatte inzwischen das Telefon ans Ohr gehoben. Ihre Gesichtszüge waren nicht mehr so angespannt wie zuvor. Sie antwortete nur mit Ja , Nein und OK . Dann packte sie das Handy wieder weg.
»Das war Jan«, sagte sie. »Ihm und van Wolfen geht es so weit gut. Nachdem wir mit dem Boot abgehauen sind, sind auch die Slivitskys nicht mehr zurückgekehrt. Weil die Ladentür offen stand und das Seil des Flaschenzugs über dem Bürgersteig baumelte, kam wenig später eine Polizeistreife vorbei, um nach dem Rechten zu sehen. Dabei haben sie die beiden entdeckt und befreit.«
»Sie haben jetzt also nur noch uns auf dem Radar«, konstatierte ich.
»Ein Grund mehr, die Stadt so schnell wie möglich zu verlassen.«
»Die Stadt zu verlassen ist nicht schwer«, sagte ich. »Die Kunst besteht darin, das unbemerkt zu tun. Bislang haben sie uns noch immer gefunden.«
»Aber Bologna ist vielleicht nicht gerade ihre erste Wahl, wenn sie nach uns suchen«, bemerkte Larissa.
Ich musste ihr wohl oder übel recht geben. Je länger wir in Amsterdam blieben, desto gefährlicher würde es für uns werden. Und Italien war so weit ab vom Schuss, dass wir vielleicht tatsächlich ungestört nach dem Buch der Antworten suchen konnten.
»Erst mal müssen wir unauffällig zu van Wolfen zurück, um unsere Sachen zu holen«, stellte ich fest.
»Darum kümmert sich Jan. Er ist jetzt mit dem Auto auf dem Weg zum Bahnhof, um zwei Fahrkarten für den Nachtzug nach Bologna zu kaufen. Anschließend holt er uns am Spui ab. Gerrit kann uns sicher erklären, wie wir dahin kommen.«
»Vorher müssen wir zu Gerrit kommen«, sagte ich. Die Straße, in der wir uns befanden, kam mir zwar bekannt vor, aber das musste nichts heißen. Schon bei unserem ersten Besuch in der leeren Bibliothek hatte ich gemerkt, dass sich die meisten Straßen im Jordaan ziemlich ähnelten.
Nach einigem Herumirren fanden wir den Weg zum Dam, und von dort war es nur noch ein kurzes Stück zur Schuttersgalerij. Wie nicht anders zu erwarten, hing Gerrit wieder in der Galerie ab. Er geleitete uns zu seinem Häuschen.
Nachdem er uns mit einem süßlich schmeckenden Tee und dazu passendem Gebäck versorgt hatte, berichteten wir, was seit unserer Trennung vor einigen Stunden alles geschehen war.
Als er von dem verschwundenen Register hörte, lächelte er. Er griff in sein Hemd, zog das schmale Buch hervor und legte es auf den Tisch.
»Ich habe das
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