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01 Columbus war ein Engländer: Geschichte einer Jugend

01 Columbus war ein Engländer: Geschichte einer Jugend

Titel: 01 Columbus war ein Engländer: Geschichte einer Jugend Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stephen Fry
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glaube ich, daß es so war.
    Nachdem ich einigermaßen beruhigt festgestellt hatte, daß ich nicht in eine tödliche Ohnmacht sank oder Haarbüschel in meinen Handflächen sprossen, wischte ich alles weg und ging leidlich zufrieden mit mir ins Bett. Kein schlechter Tag.

6.
    Der nächste Tag allerdings war schlecht. So schlecht, wie ein Tag nur sein kann. Wie alle schlechten Tage fing er ganz harmlos und vielversprechend an. Die Welt war weiß wie eine Hochzeitstorte, so daß alle Wettkämpfe gestrichen waren. Und da dienstags auch kein Sport auf dem Stundenplan stand, konnte ich mich darauf freuen, gemächlich von einer Unterrichtsstunde zur nächsten zu schlurfen und mir anschließend vielleicht in der unteren Kantine den Bauch vollzuschlagen.
    Dazu brauchte ich natürlich Geld. Mein Postsparbuch wies ein bescheidenes Guthaben von fünf neuen Pence auf, was selbst in jenen fernen Tagen gerade einmal für eine Schnitte Brot, ein Glas Wasser und eine Tüte Brause reichte. Allerdings hatte ich erst kürzlich eine neue Versorgungsquelle aufgetan: die Handtasche der Wirtschafterin.
    Nach dem Mittagessen trank die Wirtschafterin mit den Frowdes und ihren Gästen Kaffee, was mir zu meiner größtenFreude die einmalige Gelegenheit verschaffte, ein Stockwerk höher in ihre Wohnung zu schleichen und mich großzügig aus ihrer Handtasche zu bedienen.
    An dem Tag war ich nach einer Stunde Latein, Englisch und oberätzende Mathematik zur Mittagszeit ins Haus zurückgekehrt, in freudiger Erwartung eines grandiosen Nachmittags. Mich interessierte nur eins. Wie konnte ich herausfinden, wo Matthew sich herumtrieb? Sein Spiel würde ausfallen. Am Morgen war die Rede von einer Rodelpartie am Hang der Middle gewesen – da Redwood’s gleich nebenan lag, lohnte es sich vielleicht, dort vorbeizuschauen und nach Matthew zu suchen.
    Zudem war ich immer noch ganz high von meinem Durchbruch im Bad. Einen Moment lang hatte ich mich sogar gefragt, ob mit mir was nicht stimmte. Es gibt da ein abstruses Steroid im Körper des Mannes, das ihn drei Köpfe über sich hinauswachsen läßt, bloß weil ihm einer abgegangen ist. Selbst wenn sich einfachste Evolutionsgesetze zur Erklärung anführen lassen, macht es die Sache nicht weniger lächerlich. Da ich auch ohne die Mithilfe des Steroids fast drei Köpfe größer war als der Rest, mochte seine Wirkung auf mich weniger durchschlagend sein als auf andere. Gleichwohl fühlte ich mich seltsam beschwingt, als ich nach dem Essen die Treppen hochsprang und auf die Wohnung der Wirtschafterin zusteuerte. Ich hätte gewarnt sein müssen, denn es war ein Dienstag im Februar. Viele der schlimmsten Augenblicke meines Lebens fielen auf einen Dienstag, und was ist der Februar anderes als der Dienstag des Jahres?
    Ich lief ein paarmal auf dem Flur auf und ab, um sicherzustellen, daß die Luft rein war, bevor ich die Tür zu einem Durchgang öffnete, der zu ihrer Wohnung führte.
    Ihre Handtasche lag auf dem Bett. Ich öffnete sie und griff nach der Geldbörse, als urplötzlich eine Schranktür aufsprang und die Wirtschafterin im Zimmer stand.
    Ich war vor Schreck wie gelähmt.
    »Verzeihung«, war, glaube ich, das einzige Wort, das ich herausbrachte. Ich wiederholte es vielleicht ein Dutzend Mal mit immer schriller und zittriger klingenden Stimme.
    »Geh auf dein Zimmer, und warte dort.«
    Die Wirtschafterin hatte offenbar nicht nur herausgefunden, daß sie regelmäßig bestohlen wurde, sondern auch, wann dies geschah. Sie hatte dem Dieb eine Falle gestellt, in die ich geradewegs hineingetappt war.
    An Flucht oder irgendeine dumme Ausrede war nicht zu denken. Es war sonnenklar, daß nur ich der Dieb sein konnte. Noch eindeutiger konnte man gar nicht auf frischer Tat ertappt werden.
    Ganz Fircroft wußte zu dieser Zeit, daß es einen Dieb im Haus gab, wobei die meisten mich in Verdacht hatten, was vermutlich der Grund dafür war, daß ich mich bei meinen Diebestouren von den Umkleideräumen auf die Handtasche der Wirtschafterin oder die Turnhalle und die Schwimmbad-Umkleiden im Schulgebäude verlegt hatte.
    Rudders, der Hauspräfekt, geleitete mich zu Frowdes Büro. Der arme Mann war gleichzeitig bestürzt und fuchsteufelswild.
    »Verdammt noch mal, Fry!« brüllte er und knallte mit der Faust auf den Tisch. »Das war’s dann wohl für dich.«
    Die Entscheidung war bereits gefallen. Relegation bis zum Ende des Semesters. Relegation bedeutete die vorübergehende Verbannung nach Hause, die letzte Stufe vor dem

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