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01 Columbus war ein Engländer: Geschichte einer Jugend

01 Columbus war ein Engländer: Geschichte einer Jugend

Titel: 01 Columbus war ein Engländer: Geschichte einer Jugend Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stephen Fry
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Bestes.
    Nach einer Weile unterbrachen wir unser Spiel und blickten uns um. Mittlerweile waren wir fast allein auf der Middle,die gesamte riesige Rasenfläche war menschenleer. Nur am Rand zu Fircroft waren noch zwei oder drei Tennisplätze belegt, aber ansonsten hatten wir das ganze Areal für uns. Sowohl Garth Wheatley, der Sportlehrer für Cricket, als auch der Platzwart, ein ehemaliger Profi für Leicestershire, dessen Name ich schändlicherweise vergessen habe, haßten Tennis. Beide nannten das Spiel nur verächtlich »Bälleknüppeln«.
    Einmal bekam ich mit, wie Wheatley sich schnaubend ereiferte: »Viel zu viele talentierte Cricketspieler lassen sich von so einem Weibergehampel wie ›Bälleknüppeln‹ weglokken.«
    Matthew zog den Reißverschluß seiner Crickettasche zu und hob seine Sportjacke auf. »Mein Gott, wie ich den Sommer liebe«, seufzte er und blickte umher.
    »Ich auch«, sagte ich. »Ach Quatsch, was sag ich denn da? Ich hasse ihn.«
    »Wieso?«
    Scheinbar ziellos schlenderten wir in eine Richtung, die von den beiden Häusern und dem Schulgelände weg geradewegs in die Felder führte.
    Ich erzählte ihm von meinem Haß auf Insekten, meinem Asthma und meiner Aversion gegen Hitze: »Die Sache liegt klar auf der Hand«, sagte ich. »Ich bin einfach für den Winter geschaffen. Je mehr Klamotten ich am Leib trage, desto besser sehe ich aus. In Shorts bin ich die reinste Witzfigur. Und im Gegensatz zu dir wirke ich im Cricket-Dress wie eine Vogelscheuche.«
    »Ach, Blödsinn«, erwiderte er, um nach einer winzigen Pause hinzuzufügen: »Ich finde, du siehst klasse aus.«
    »Ach ja?« sagte ich und gab ihm einen leichten Schubs. »Willst mich wohl anmachen, wie?«
    »Genau!« sagte er, wobei er mich ebenfalls schubste und zu Boden warf.
    Alles Weitere war kurz und klanglos. Ein Rollen und Kitzeln im hohen Gras, das in ein Rubbeln und Reiben übergingund zuletzt in wütendem, hastigem gegenseitigen Masturbieren endete. Zwar ohne Kuß, aber zumindest unter viel Gekicher und Lachen. Sex ohne Lachen ist genauso stumpf und abstoßend wie ein Wodka-Tonic ohne Eis.
    Er ließ mich im Gras liegend zurück. Auf einen Ellbogen gestützt, sah ich ihm nach, bis er als cremefarbener heller Fleck gegen das Grün der Wiese meinem Blick entschwand. Er drehte sich kein einziges Mal um.
    Ich ließ mich zurück ins Gras fallen, starrte in den Himmel und schlief ein.
    Ich schaffte die O-Level-Prüfung in Mathematik, zwar nicht mit Auszeichnung, aber immerhin. Nur in Physik fiel ich durch, in gewisser Weise ein unmißverständlicher Fingerzeig an die Adresse meines Vaters, daß ich immer noch der alte war. Er hatte mich nicht nach seinen Vorstellungen zu einem gelehrigen kleinen Wissenschaftler ummodeln können. Schließlich war Physik genau sein Fach.
    Ich hatte die Physik-Prüfung nicht einfach nur verhauen, ich war mit Glanz und Gloria untergegangen. Mein Stolz ließ es nicht zu, an irgendeiner Sache zu scheitern. Wenn schon, dann mit festem Vorsatz.
    In einer der Prüfungsfragen tauchte die Abkürzung EMF auf. Die meisten werden bei EMF vermutlich an die Band aus Forest of Dean denken, zu deren Hit »Unbelievable« wir alle vor fünf oder sechs Jahren mit dem Fuß den Takt geschlagen haben, aber für den bedauernswerten Mr. Pattinson, der mir die einfachsten physikalischen Grundlagen einzubleuen versuchte, bedeutete EMF Elektromagnetisches Feld oder irgend etwas in der Richtung, wobei man mir nähere Erklärungen bitte ersparen möchte.
    Die Frage lautete:
    Beschreibe das EMF einer Fahrrad-Stabbatterie.
    Tja, ich hatte leider nicht den leisesten Schimmer, worum es ging, und verbrachte deshalb die gesamte Prüfungszeitdamit, ein Fahrrad zu zeichnen. Darin war ich ausnahmsweise richtig gut, schließlich hatte ich bei meiner O-Level-Prüfung in Kunst beim Modellzeichnen die höchste Punktzahl davongetragen, auch wenn meine Malkünste nie wieder das Niveau des preisgekrönten Unvergeßlichen Gesichts erreichten. Aber Nachahmen und Reproduzieren waren meine große Stärke.
    Mein Fahrrad besaß eine Querstange, Satteltaschen (ein offenes Ausschnittsfeld zeigte eine Tupperbox mit einem Apfel, einem Marsriegel und einigen Käse- und Chutney-Sandwiches) und selbstverständlich auch Vorder- und Rücklicht.
    Am Schluß der Prüfung zog ich mit dem Lineal einen Strich zum Vorderlicht und schrieb ans andere Ende:
    »Die hier gezeigte Lampe enthält die Batterie, die ihrerseits das EMF enthält, um das die Frage soviel Aufhebens

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