Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
01 Columbus war ein Engländer: Geschichte einer Jugend

01 Columbus war ein Engländer: Geschichte einer Jugend

Titel: 01 Columbus war ein Engländer: Geschichte einer Jugend Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stephen Fry
Vom Netzwerk:
abstrakten theoretischen Prämissen des zugrunde liegenden Musikkonzepts folgen oder aber sich von einem durch einen Freund, einen Fachmann oder den Komponisten selbst vermittelten Zugang leiten lassen. Musik ist alles und nichts. Sie ist nutzlos, und doch sind ihrem Nutzen keine Grenzen gesetzt. Die Musik entführt mich an Orte grenzenloser sinnlicher und ekstatischer Freude, geleitet mich auf Gipfel der Lust, die kein noch so himmlischer Liebhaber für mich entdecken könnte, oder stürzt mich in zuckende, wimmernde Höllenqualen, die kein Folterknecht ersinnen könnte. Die Musik bringt mich dazu, diesen ganzen pubertären Unsinn zu Papier zu bringen, ohne mich dafür zu schämen. Musik ist unbestritten der größte Kick auf Erden. Nichts kann ihr auch nur annähernd das Wasser reichen.
    NUR MIR FEHLT JEDER BESCHISSENE FUNKE TALENT
    Ich kann nicht einmal »Three Blind Mice« summen, ohne in eine falsche Tonart zu geraten. Ich schaffe es einfach nicht, den Takt von »Onward Christian Soldiers« zu halten, ohne immer schneller zu werden. Ich krieg’s verdammt noch mal nicht auf die Reihe.
    Scheiß was auf Salieri und sein selbstgefälliges kindisches Gejammer. Vielleicht ist es ja tatsächlich schlimmer, nur über bescheidene musikalische Gaben zu verfügen und nicht die Musik machen zu können, die einem vorschwebt. Ich würde es liebend gern herausfinden. Nur fehlt mir leider jeder beschissene Funke Talent.
    Wann immer sich Freunde um ein Klavier versammeln und »Always Look on the Bright Side of Life«, »Anything Goes«, »Yellow Submarine«, »Summertime«, »Der Erlkönig«, »She’ll Be Coming Round the Mountain«, »Edelweiß« oder »Non Più Andrai« anstimmen – ganz egal, um welches verdammte Lied es sich handelt ...
    ICH KANN VERDAMMT NOCH MAL
    NICHT MITMACHEN
    Wenn die Leute auf einer Geburtstagsparty »Happy Birthday« anstimmen, muß ich mimen, indem ich bloß stumm die Lippen bewege oder so leise vor mich hin brumme, knurre oder grunze, daß nur Maulwürfe, Mantarochen oder Pilze mich hören.
    Dabei bin ich keineswegs unmusikalisch, was der gemeinste, abgewichsteste, arschfickendste Scheißdreck an der ganzen Sache ist.
    ICH BIN VERDAMMT NOCH MAL
    NICHT UNMUSIKALISCH
    Ich kann nur nicht SINGEN.
    In meinem Kopf habe ich sämtliche Melodien parat. Von vorne bis hinten, perfekt bis in die letzte Vierteltonhöhe und das letzte Hemi-demi-semi-Tremolo. Die »Haffner-Serenade«, »Fernando«, das Siegfried-Motiv, »Whole Lotta Love«, »Marche Militaire«, »Night and Day«, »The Dance of the Sugar Plum Fairy«, »I Heard it Through the Grapevine«, »Das große Tor von Kiew«, »Lara’s Theme«, »Now Voyager«, »Remember You’re a Womble«, selbst die Eröffnungstakte aus dem verdammten Till Eulenspiegel kann ich mir im Kopf problemlos vorspielen.
    Und nicht bloß die Melodien, sondern auch sämtliche Harmoniesätze und rhythmischen Wechsel, einfach alles . In der Regel kann ich auf Anhieb sagen, ob ein Lied in C-Dur, D-Dur oder Es-Dur geschrieben ist, als wäre jede Tonart eine klar zu unterscheidende Farbe, was zwar keine umwerfende Gabe, aber immerhin Beweis genug ist, daß ich ganz bestimmt nicht unmusikalisch bin. Doch zwischen dem, was sich in meinem Kopf abspielt, und dem, was ich mit meiner Stimme oder meinen Fingern auf die Beine stelle, tut sich ein abgrundtiefer, unüberwindbarer Graben auf.
    Fragt wer: »Hey, wie geht noch mal die Melodie von Bonanza ?«, packen sich alle an die Stirn und verziehen angestrengt das Gesicht, um in ihrem Gedächtnis zu kramen.
    Nichts leichter als das. Ich habe den gesamten Bonanza -Vorspann im Kopf, die komplette Orchester-Partitur, bis in den letzten Triller und die letzte Triole, alles perfekt und glanzvoll einstudiert, als ob ihn die Wiener Philharmonie unter Isaac Stern als Konzertmeister und Furtwängler als Dirigent in mir spielen würde. In diesem Augenblick höre ich die Melodie genauso deutlich in meinem Kopf wie das infernalische Dröhnen des Feierabendverkehrs, der von King’s Lynn über die A 47 in Richtung Swaffham brettert.
    »Na dann mal los, Stephen. Wenn du die Melodie hören kannst, summ sie uns vor.«
    Ha! Guter Witz. Summ sie uns vor. Genausogut könnte ich versuchen, aus einem Berg Spaghetti einen Automotor zu fabrizieren oder Martyn Lewis in einen Dressman zu verwandeln.
    Wenn ich es tatsächlich versuche, mir die größte Mühe gebe, die klingenden Melodien in meinem Kopf laut wiederzugeben, kommt dabei nur ein hochnotpeinliches

Weitere Kostenlose Bücher