01 Das Hotel im Moor 02 Alles wird gut
einzelnen Bereiche ihres Lebens voneinander getrennt zu halten, dachte Kincaid. Sie hatte ihm nie etwas von Margaret erzählt.
»Nur, daß Sie über ihr wohnen und sie manchmal besucht haben. Ich habe immer zu ihr gesagt, sie hätte Sie erfunden wie sich kleine Kinder oft einen Freund erfinden, weil ich Sie ja nie..«, sie schluchzte auf, und die Papiertücher traten wieder in Aktion, »... gesehen habe.«
»Margaret.« Kincaid beugte sich vor und berührte ihren Arm, um ihre Aufmerksamkeit wiederzugewinnen. »Sind Sie sicher, daß Jasmine die Absicht hatte, sich das Leben zu nehmen? Vielleicht wollte sie sich nur Mut machen und hat nur davon gesprochen, um sich das Gefühl zu geben, sie hätte eine Wahl.«
»O nein.« Margaret schüttelte energisch den Kopf. »Sobald Sie erfuhr, daß die Therapie bei ihr nicht anschlug, hat sie an Exit geschrieben. Sie sagte, die Vorstellung, künstlich ernährt zu werden, all die Schläuche und Röhrchen, hat sie immer gesagt, sei ihr grauenvoll. Sie sagte, sie würde sich überhaupt nicht mehr als Mensch fühlen und...« Margaret verzog das Gesicht und drückte, in dem Bemühen, die Tränen zurückzuhalten, eine Hand auf den Mund.
Kincaid nickte ihr aufmunternd zu. »Es ist schon in Ordnung. Erzählen Sie weiter.«
»Exit hat dann alle Unterlagen geschickt, und wir haben es genau geplant - wieviel sie nehmen müßte und so. Gestern abend. Sie wollte es gestern abend tun.«
»Aber dann hat sie es sich anders überlegt?« hakte Kincaid nach, als sie schwieg.
»Ich bin gekommen, sobald ich aus dem Büro weg konnte. Ich war fest entschlossen, ihr zu sagen, daß ich es nicht tun könnte, aber sie hat mich nicht mal ausreden lassen. >Laß nur, Meg<, sagte sie. >Mach dir keine Kopfzerbrechen. Ich habe es mir auch anders überlegt.< Und sie sah auch irgendwie anders aus... Sie sah glücklich aus.« Margaret sah ihn mit flehender Miene an. »Ich habe ihr geglaubt. Ich hätte sie niemals allein gelassen, wenn ich es nicht geglaubt hätte.«
Kincaid wandte sich Felicity zu. »Ist es möglich? Hätte sie es allein tun können?«
»O ja, bei den Patienten, die sich ihre Medikamente selbst verabreichen, ist das natürlich immer eine Möglichkeit«, antwortete sie sachlich. »Das ist eines der Risiken, die man bei der Heimpflege eingeht.«
Einen Moment lang sagte keiner etwas. Margaret saß zusammengesunken da, verweint und erschöpft. Kincaid seufzte und rieb sich das Gesicht, während er überlegte. Wenn er allein Margarets Enthüllung gehört hätte, hätte er vielleicht nichts unternommen, und Jasmine ihren Tod gelassen, ohne Fragen zu stellen. Die Anwesenheit Felicity Howarths jedoch komplizierte die Angelegenheit. Sie kannte das korrekte Verfahren zweifellos so gut wie er, und mögliche Anzeichen eines unnatürlichen Todes zu ignorieren, das roch nach Kollusion. Und schließlich bedrückte ihn, auch wenn er in seinem Schmerz und seiner Erschöpfung nicht in der Lage war, dieses Gefühl zu isolieren, immer noch ein diffuses Unbehagen.
Als er aufsah, bemerkte er, daß Felicity ihn nicht aus den Augen gelassen hatte. »Tja«, sagte er widerstrebend, »da werde ich wohl eine Obduktion anordnen müssen.«
»Sie?« fragte Felicity mit zusammengezogenen Brauen, und Kincaid wurde sich bewußt, daß sie ja nicht wußte, wer er war.
»Entschuldigen Sie. Ich bin Polizeibeamter. Detective Superintendent, Scotland Yard.«
Angesichts Felicitys Reaktion hatte Kincaid den gleichen Eindruck wie zuvor, als sie die tote Jasmine gefunden hatten. Ihr Gesicht wurde leer und ausdruckslos, wie von allen Gefühlsregungen leergefegt.
»Oder möchten Sie das lieber übernehmen?« fragte er in der Befürchtung, sie gekränkt zu haben, indem er sich über ihre Autorität hinweggesetzt hatte.
Felicitys Aufmerksamkeit kehrte zu ihm zurück. Sie schüttelte den Kopf. »Nein. Ich denke es ist am besten, wenn Sie sich darum kümmern.« Sie wies mit einer Kopfbewegung zu Margaret, die immer noch wie betäubt dasaß. »Ich muß mich um andere Dinge kümmern.« Sie ging zu Margaret und berührte behutsam ihre Schulter. »Kommen Sie, ich bringe Sie nach Hause, Kind. Mein Wagen steht vor der Tür.«
Margaret folgte ihr widerstandslos. Die Einkaufstasche, die Felicity vom Boden aufgehoben hatte, hielt sie fest an ihre Brust gedrückt. An der Tür drehte sie sich noch einmal nach Kincaid um. »Sie hätte nicht allein gelassen werden dürfen«,
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