01 Das Hotel im Moor 02 Alles wird gut
klang ihre Stimme hoch und unkontrolliert. »Roger, wo bist du gewesen? Ich habe auf dich gewart...«
»Warum die Panik, Meg?« Roger blieb in lässiger Haltung an der Tür stehen und machte keinen Versuch, Margaret zu berühren oder zu trösten. »Findest du nicht, du solltest mich mit deinem Gast bekannt machen?«
Kincaid ergriff die Initiative, ehe Margaret etwas sagen konnte. »Mein Name ist Kincaid.« Er stand auf und bot Roger die Hand, der ihm ohne großen Enthusiasmus die seine reichte. »Ich bin ein Nachbar von Margarets Freundin Jasmine Dent.«
»Jasmine ist tot, Roger. Sie ist Donnerstag nacht gestorben. Ich konnte dich nirgends erreichen.« Margaret zitterte von Kopf bis Fuß.
Roger zog die Brauen in die Höhe. »Ach, tatsächlich? Und Sie sind gekommen, um Margaret das mitzuteilen?«
»Ich bin hergekommen, um mich zu erkundigen, wie es ihr geht«, entgegnete Kincaid ruhig. Er lehnte sich an die Tischkante und verschränkte die Arme.
»Wie reizend von Ihnen.« Rogers gepflegter Internatsakzent drückte Sarkasmus aus. »Die arme Meg.« Erst jetzt trat er zu ihr und zog ihren steifen Körper in flüchtiger Umarmung an sich. Dann drehte er sich wieder nach Kincaid um, ließ jedoch eine Hand leicht auf Margarets Nacken liegen.
»Das muß ein Schock gewesen sein, daß sie soviel früher gestorben ist, als man erwartet hat.«
»So war es nicht. Jasmine ist an einer Überdosis Morphium gestorben«, sagte Margaret und sah Kincaid, während sie sprach, unverwandt an, zweifellos in der Hoffnung auf Unterstützung.
Roger ließ sie abrupt los, und sie trat von ihm weg.
»Ach Gott, Meg. Das tut mir aber leid, daß sie...«
»Duncan weiß von dem Selbstmord.« Sie nickte zu Kincaid hin. »Du brauchst nicht so zu tun, als täte es dir leid, Roger. Ich weiß doch, daß es nicht so ist. Du brauchst dir jetzt keine Sorgen mehr zu machen.«
»Sorgen? Sei nicht albern, Meg.« Rogers Ton war leicht, beinahe spielerisch, aber Kincaid spürte die scharfe Wachsamkeit, die sich hinter der scheinbaren Nonchalance versteckte.
»Es gibt noch eine andere Möglichkeit«, sagte Kincaid in die gespannte Atmosphäre hinein. Beide wandten sich ihm zu, Margaret verwirrt, Roger hellwach. »Es könnte sein, daß jemand Jasmine eine Art Hilfe gegeben hat, die sie gar nicht haben wollte.«
»Was soll das...« begann Margaret und sah dann Roger an, der, wie Kincaid vermutete, nur allzugut wußte, was das heißen sollte.
Das Schweigen dehnte sich in die Länge, bis Kincaid sich aufrichtete und streckte. »Ich habe leider Ihren Nachnamen nicht verstanden«, sagte er zu Roger.
Roger zögerte einen Moment, dann antwortete er widerstrebend: »Leveson-Gower.« Er sprach es »Luhß-n-Goa« aus.
Wie angemessen nobel, dachte Kincaid. Er ging zur Tür, drehte sich noch einmal nach Margaret um. »Dann gehe ich jetzt. Kommen Sie zurecht, Margaret?«
Margaret nickte unsicher. Roger schlang einen Arm fest um ihre Taille und griff ihr mit der anderen Hand unter das Kinn. Margaret errötete.
»Oh, um Margaret brauchen Sie sich nicht zu sorgen, nicht wahr, Schätzchen?« sagte Roger.
Noch einmal drehte sich Kincaid um, als er die Tür schon geöffnet hatte. »Wo waren Sie übrigens am Donnerstagabend, Roger?«
Roger hielt immer noch Margaret an sich gedrückt, teils Schutz, teils Besitz. »Was geht Sie das an?«
»Oh, sagte ich das nicht? Ich bin von der Polizei.« Kincaid lächelte die beiden kurz an, dann ging er.
6
Die Ostseite der Carlingford Road lag tief in abendlichen Schatten, als Kincaid den Midget am Bordstein anhielt. Er kurbelte die Fenster hinauf, schloß das Verdeck und blieb dann einen Moment stehen und betrachtete das Haus, in dem er wohnte. Es wirkte unnatürlich still und unbelebt, kein Licht in den Fenstern, kein Anzeichen von Bewegung. Mit einem Achselzucken sagte er sich, das sei zweifellos seine eigene verdrehte Sicht. Aber als er halbwegs die Treppe zu seiner Wohnung hinauf war, fiel ihm plötzlich ein, daß er den Major seit dem vergangenen Abend nicht mehr gesehen hatte.
Im ersten Moment bekam er einen regelrechten kleinen Schreck, dann schalt er sich hysterisch. Es gab überhaupt keinen Grund anzunehmen, dem Major könnte etwas zugestoßen sein. Es war schließlich nicht so, daß im Haus der Tod lauerte wie ein Gespenst aus einem Gruselroman. Dennoch konnte er es nicht lassen, umzukehren, nach unten zu gehen
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