01 Das Hotel im Moor 02 Alles wird gut
und beim Major zu klopfen.
Es blieb alles still. Kincaid wandte sich wieder zur Straße. Er beschloß, durch Jasmines Wohnung in den Garten zu gehen, um dort nach dem Major Ausschau zu halten. Genau in dem Moment sah er ihn vorn an der Straßenecke in die Carlington Road einbiegen. Er ging langsam und schwerfällig, von zwei großen Blumentöpfen mit Büschen behindert, die er in beiden Armen trug.
Kincaid eilte ihm entgegen. »Mir scheint, Sie können Hilfe gebrauchen.«
»Sehr aufmerksam, danke.«
Als Kincaid den einen der schweren Töpfe entgegennahm, hörte er, wie angestrengt der Major atmete. »Ein langer Weg von der Bushaltestelle hier herauf.«
»Was sind das für Pflanzen?« fragte Kincaid, während er seinen Schritt dem kürzeren des Majors anpaßte.
»Rosen. Eine altmodische Art. Aus einer Gärtnerei in Buckinghamshire.«
»Was?« rief Kincaid erstaunt. »Sie haben diese schweren Dinger mit dem Bus aus Buckinghamshire hierher geschleppt?«
Sie hatten die Treppe erreicht, die zur Wohnungstür des Majors hinunterführte. Der Major stellte seinen Topf nieder, nahm seine Mütze ab und wischte sich den schweißfeuchten Schädel mit dem Taschentuch. »Woanders bekommt man sie nicht. Sie heißen Himalayan Musk.«
Kincaid setzte seinen Topf ebenfalls ab und musterte mit zweifelnder Miene die kahlen, dornigen Stengel. »Aber hätten Sie nicht...«
Der Major schüttelte energisch den Kopf. »Es ist natürlich die falsche Jahreszeit. Aber es mußte etwas ganz Besonderes sein.« Als er Kincaids verständnisloses Gesicht sah, erklärte er: »Für Jasmine. Der Duft ist das Entscheidende, wissen Sie. Diese Rosen duften noch, und Jasmine hat duftende Blumen geliebt. Sie sagte immer, es sei ihr ganz gleich, wie sie aussähen, Hauptsache, sie dufteten. Diese Rosen hier blühen nur einmal, spät im Frühjahr. Ein Meer rosaroter Blüten, und sie duften paradiesisch.«
Kincaid brauchte einen Moment, um das zu verdauen; nie hatte er den Major soviel auf einmal reden hören, nie hatte er aus seinem Mund etwas vernommen, das nur im geringsten schwärmerisch klang. »Ja, Sie haben recht«, sagte er dann. »Sie hätten ihr sicher gefallen.«
Der Major sperrte seine Wohnungstür auf und bückte sich nach den Töpfen.
»Warten Sie, ich helfe Ihnen«, sagte Kincaid und hob schon einen der Töpfe mühelos auf.
Der Major wollte ablehnen, zögerte, sagte dann: »Danke, das ist nett.«
Kincaid folgte ihm in die Wohnung. Nichts als Braun, war sein erster Eindruck. Der Major machte Licht, und zu dem Eindruck von Braun kam der von sauber und ordentlich hinzu. Eine verblichene Blumentapete in Rosé- und Brauntönen, ein brauner Teppich, eine braune Couchgarnitur. Keine Bilder, keine Fotografien, keine Bücher, soweit Kincaid sehen konnte, als er dem Major durch das Wohnzimmer folgte. Der einzige Farbtupfer war der Stapel von Gartenzeitschriften und -katalogen, der auf dem Couchtisch aus Fichtenholz lag.
Der Major führte Kincaid in die Küche und öffnete die Tür zu einem betonierten Vorplatz, der sich bis unter die Treppe erstreckte, die von Jasmines Wohnung in den Garten führte. Auf der rechten Seite, in der Ecke, die der Zaun und die Hausmauer bildeten, hatte der Major sich einen kleinen Geräteschuppen gebaut. Kincaid streckte den Kopf hinein und bekam so intensiven Humusgeruch in die Nase, daß es ihm einen Moment den Atem verschlug.
Der Major stieg die Treppe zum Garten hinauf und stellte seinen Topf ab. Kincaid folgte dem Beispiel und ließ dann seinen Blick durch den Garten schweifen. Der Kontrast zwischen der eintönig braunen Wohnung des Majors und dieser kleinen Oase der Fülle und der Farbenpracht hätte kaum stärker sein können. Er fragte sich, woran der Major sich im Winter erfreute, wenn im Garten nichts blühte.
Nach einer kleinen Weile, während der auch der Major in Gedanken verloren schien, sagte Kincaid: »Wo wollen Sie sie einpflanzen?«
»Da drüben, habe ich mir gedacht.« Der Major wies zu der Backsteinmauer am hinteren Ende des Gartens, der einzige Fleck, der, soweit Kincaid sehen konnte, noch nicht bepflanzt war. »Es sind Kletterrosen. Sie werden bald die ganze Mauer überwuchern.«
»Lassen Sie mich Ihnen helfen.« Kincaid verspürte plötzlich den Wunsch, in diesem Moment des Gedenkens teilzuhaben, der passender war als jeder von einem Fremden abgehaltene Gottesdienst.
Der Major zögerte wieder. Kincaid
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