01 Das Hotel im Moor 02 Alles wird gut
setzten sich in die Sonne im Gärtchen der Teestube und aßen Sandwiches mit Käse und Tomaten, die mit Kresse garniert waren und von einer jungen Bedienung mit pinkfarbenem Haar und vielen Ohrringen sehr freundlich serviert wurden.
»Die Dorfpunkerin«, bemerkte Kincaid und schob sich ein paar widerspenstige Kresseblättchen mit dem Finger in den Mund.
»Na, viel kann hier abends nicht los sein.« Gemma hatte die Geringschätzung der Londonerin für das dörfliche Leben nie überwunden.
»Wahrscheinlich gibt’s im Gemeindesaal eine Disco. Oder Videospiele im Pub für die, die alt genug sind.«
Gemma schnitt eine Grimasse. »Puh!«
Kincaid lachte. »Überlegen Sie doch mal, Gemma. Ist das nicht genau das, was Sie sich für Toby wünschen würden, wenn er mal größer ist. Keine Möglichkeit, Dummheiten zu machen?«
Sie schüttelte den Kopf. »Darüber werde ich jetzt bestimmt noch nicht nachdenken.« Gemma schob den letzten Bissen ihres Brots in den Mund und schlug nach einer dicken Hummel, die unaufhörlich Sturzflüge auf ihren Tisch machte. »Sind Sie in so einem kleinen Ort aufgewachsen?«
»Nein, so klein war er nicht. Relativ zivilisiert nach Ihren Maßstäben. Wir hatten sogar ein Café. Videospiele gab’s damals allerdings noch nicht. Wir mußten uns mit Darts begnügen.« Sein flüchtig aufblitzendes Lächeln verriet Gemma, daß er sie ein wenig auf den Arm nahm. Die hartnäckige Hummel landete kopfüber in Kincaids Teetasse. Er kippte sie heraus und streckte sich. »Kommen Sie. Wir wollen mal sehen, was Theo Dent am letzten Donnerstagabend getrieben hat.«
Irgendwo in den Tiefen des Ladens klimperte ein Glockenspiel, als Gemma und Kincaid eintraten und die Tür hinter sich schlossen. Das Schild mit der Aufschrift »Geschlossen«, das innen an der Tür hing, schwang rhythmisch hin und her, Kontrapunkt zum schwächer werdenden Gebimmel des Glockenspiels.
Ihre Augen brauchten einen Moment, um sich nach dem grellen Sonnenlicht draußen auf das gedämpfte Licht einzustellen. »Wir scheinen die einzigen Kunden zu sein«, bemerkte Kincaid halblaut, während er sich umsah. »Nicht viel los für einen Sonntagnachmittag.«
»Das Wetter ist zu schön«, meinte Gemma.
Es schien ihr unerträglich warm und muffig im Laden. Durch die Schaufenster, die nicht durch Vorhänge abgeschirmt waren, fielen schräge Lichtbahnen ein und erhellten verstaubte Gegenstände. Gemma drehte sich langsam herum und musterte vollgestellte Borde und Tische, auf denen unter anderen Dingen unvollständige Teeservice, Schnickschnack aus Messing, fleckige Jagddrucke zur Schau gestellt waren. Eine kleine Glasvitrine war voller antiker Köpfe.
»Um sich hier gründlich umzusehen, braucht man einen Regentag«, sagte sie und hielt eine Butterschale von altmodischer Form ans Licht. »Ach, die hat einen Sprung. Schade.«
Sie hörten das Geräusch eiliger Schritte auf einer Treppe, dann wurde hinten im Laden eine Tür aufgestoßen. »Tut mir leid. Ich habe nur schnell mein...« Theo Dent, der gerade dabei war, seine Brille aufzusetzen, hielt inne und riß verdutzt die Augen auf. »Mr. Kincaid? Ich habe Sie nicht gleich erkannt ... Ich habe nicht erwartet...«
»Hallo, Theo. Ich wollte Sie nicht aus der Fassung bringen. Ich hätte wahrscheinlich vorher anrufen sollen, aber es war so ein verlockender Tag für eine Autofahrt.«
Alles Quatsch, dachte Gemma bei Kincaids entwaffnendem Gesäusel. Sie war überzeugt davon, daß es seine volle Absicht gewesen war, Theo auf dem falschen Fuß zu erwischen. Was ihn trieb, mochte rein private Neugier sein, die Methoden aber waren die gleichen, die er im Dienst anzuwenden pflegte.
Kincaid stellte Gemma vor, wobei er ihre Beziehung zueinander wiederum völlig offen ließ, und Theo reichte ihr die Hand. Er war ein kleiner Mann mit ovalem Gesicht und lockigem braunen Haar, das von Grau durchschossen war. Die Brille mit den runden, goldgefaßten Gläsern verlieh ihm etwas Altväterisches. Seine Hand war klein und weicher als die ihre.
»Es freut mich, Sie kennenzulernen. Sie haben hübsche Dinge hier.« Gemma umriß mit einer Handbewegung den Ladenraum und ergriff dann den erstbesten Gegenstand in ihrer Reichweite, ein Porzellantöpfchen in Form eines Bienenkorbs.
»Finden Sie wirklich?« Theo schien über die Maßen erfreut. Er strahlte Gemma an und zeigte dabei kleine, regelmäßige Zähne. »Interessieren Sie sich für
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