01 Das Hotel im Moor 02 Alles wird gut
Honigtöpfe? Hier, sehen Sie sich den an«, sagte er und nahm die porzellanene Nachbildung eines strohgedeckten Häuschens von einem Bord. »Oder den hier.« Weißes Porzellan diesmal, mit Mäuschen verziert, die hinter einem Busch hervorlinsten. »Wußten Sie, daß die alten Ägypter glaubten, der Honig bestünde aus den Tränen des Sonnengottes Ra? Niemals wurde ein Pharao bestattet, ohne daß man ihm einen versiegelten Honig...«
»Theo«, unterbrach Kincaid den enthusiastischen Monolog, »können wir uns irgendwo in Ruhe unterhalten?«
»Unterhalten?« Theo schien verblüfft. Erwartungsvoll sah er sich in seinem Laden um, und als keine Stühle zum Vorschein kamen, sagte er: »Äh... natürlich. Wir könnten nach oben gehen.« Er drehte sich herum, um ihnen vorauszugehen. »Es ist aber nichts Besonderes«, fügte er mit einem ängstlich besorgten Blick nach rückwärts, zu ihnen, hinzu. »Es macht Ihnen hoffentlich nichts aus...«
Die Wohnung oben diente offensichtlich gleichzeitig als Büro, wobei das Büro aus einem abgestoßenen alten Holzschreibtisch voller Zettel und loser Blätter und einem altmodischen schwarzen Bakelit-Telefon bestand. Der Wohnbereich sah nach Gemmas Meinung nicht viel besser aus: ein hastig gemachtes Couchbett, ein museumsreifer Ledersessel, beides mit gutem Blick auf einen neuen Farbfernsehapparat und ein Videogerät. In einem Alkoven hinter zugezogenem Vorhang verbargen sich, so vermutete jedenfalls Gemma, Wasch- und Kochgelegenheit.
»Ach, das war mein Mittagessen«, sagte Theo entschuldigend und nahm einen Teller mit Brotrinden und einen Pappbehälter, der eine Fertigsuppe enthalten hatte, um ihn hinter dem Vorhang verschwinden zu lassen. Er wies Kincaid zu dem Ledersessel und zog Gemma den Schreibtischstuhl heran. Nun war er selbst jedoch ohne Sitzgelegenheit. Verlegen stand er da, dann entdeckte er eine leere Kiste, drehte sie um und benutzte sie als Hocker. Seine nervöse Unsicherheit ließ etwas nach, und er lächelte entschuldigend: »Ich habe selten Gäste, wie Sie vielleicht schon gemerkt haben werden. Für Jasmine, wenn sie gekommen wäre, hätte ich natürlich ein bißchen Ordnung gemacht.« Er holte einmal tief Atem. »Also, Mr. Kincaid, was haben Sie mit mir zu besprechen? Sie haben diese hübsche junge Dame doch gewiß nicht hierher gebracht, damit sie meinen Trödel bewundern kann.« Beim Sprechen wies er mit dem Kopf auf Gemma, und wiederum hatte sie den Eindruck von einer gewissen altmodischen Qualität.
»Ich habe inzwischen den Obduktionsbefund bekommen, Theo. Ihre Schwester ist an einer Überdosis Morphium gestorben.« Kincaid sprach leise und ruhig.
Theos Blick glitt ins Leere. Der Mann saß so still, daß Gemma unwillkürlich Kincaid einen fragenden Blick zuwarf. Doch schließlich erwachte Theo mit einem Seufzer aus seiner Erstarrung und sagte: »Eigentlich habe ich das erwartet, seit Sie am Freitagabend mit mir gesprochen haben. Es ist sehr nett von Ihnen, daß Sie extra die weite Fahrt gemacht haben, um es mir zu sagen.«
Gemma, die wußte, daß Nettigkeit nichts damit zu tun hatte, sah, wie Kincaid leicht errötete.
»Theo...«
»Es war der Schock, der mich so aus der Fassung gebracht hat, wissen Sie. Inzwischen habe ich etwas Zeit gehabt, um mich an den Gedanken zu gewöhnen, und ich glaube, daß es typisch Jasmine gewesen wäre, so etwas zu tun. Aber eines verstehe ich immer noch nicht.« Theo sah von Kincaid zu Gemma, um sie in die Frage einzubeziehen. »Warum hat sie mich angerufen und mich gebeten, sie heute zu besuchen?«
»Theo«, sagte Kincaid behutsam, »es gibt noch eine andere Möglichkeit. Der Coroner wird höchstwahrscheinlich auf Selbstmord erkennen, es sei denn, wir finden Hinweise, daß das Gegenteil passiert ist.«
»Das Gegenteil? Wie meinen Sie das?« Theos Brauen zogen sich über den goldgeränderten Brillengläsern zusammen.
Kincaid richtete sich auf und neigte sich Theo zu. Er sprach jetzt drängender. »Es könnte doch sein, daß eine dritte Person ihr das Morphium verabreicht hat, Theo. Vielleicht hat Jasmine Margaret die Wahrheit gesagt, vielleicht hatte sie tatsächlich beschlossen, keinen Selbstmord zu verüben, und vielleicht gab es jemanden, dem dieser Entschluß überhaupt nicht in den Kram paßte.«
»Das kann doch nicht Ihr Ernst sein.« Theo blickte Kincaid forschend ins Gesicht, als suche er ein Anzeichen dafür, daß dieser gescherzt hatte. Als er ein solches
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