01 Das Hotel im Moor 02 Alles wird gut
Stimme.
»Ja, nach der Arbeit. Ich hatte ihr ein Curry mitgebracht. Ich wußte, daß sie nicht viel essen würde, aber sie versuchte es meistens, wenn sie meinte, ich hätte mir ihretwegen besondere Mühe gemacht.« Meg sah zu Gordon auf und sprach mit ihm, als wären sie allein im Saal. »Ich wäre niemals gegangen, wenn ich eine Ahnung gehabt hätte - niemals. Sie wirkte so - Aber dazu hätten Sie sie kennen müssen. Selbst wenn Jasmine von Selbstmord gesprochen hat, war sie immer ganz sachlich. Nie hat sie gesagt, >Meg, ich habe Angst<, oder >Meg, ich will nicht allein sein<. Selbst mit dem Tod vor Augen hat sie nie zugelassen, daß man hinter die Fassade sah. Aber an dem Tag, am letzten Donnerstag, da war sie anders. Ich weiß nicht, wie ich es erklären soll.« Das Gesicht voll konzentriert, die Hände erhoben, als wollte sie die Worte aus der Luft holen, hielt Meg inne und atmete tief ein. »Sie war offen. Die Fassade war abgebröckelt. Ich konnte ihre Zuneigung klar spüren. Und sie war glücklich. Das habe ich auch gefühlt.«
»Miss Bellamy.« Gordons Ton war tatsächlich sanft. Kin-caid zog eine Augenbraue hoch. Er hatte James Gordon emotionalen Appellen gegenüber für unempfänglich gehalten, doch Margaret Bellamy schien selbst bei den Dickfelligsten Beschützerinstinkte zu wecken. »Miss Bellamy«, setzte Gordon noch einmal an. »Eben solches Verhalten ist mit beabsichtigtem Selbstmord vereinbar. Man hat einen Entschluß gefaßt, man fühlt sich erleichtert, beinahe euphorisch.«
Meg hob den Kopf. »Ja, das hat man mir schon gesagt. Aber daran glaube ich nicht. Bei Jasmine war es nicht so.«
»Mr. Kincaid, Sie haben keinerlei konkrete Anhaltspunkte für einen Selbstmord gefunden?«
»Nein, Sir. Im Kühlschrank fanden wir zwei Ampullen Morphium, aber die Menge, die aus ihnen entnommen wurde, reichte bei weitem nicht an die heran, die man in Jasmine Dents Körper festgestellt hat. Und es waren keine leeren Ampullen in der Wohnung.« Kincaid hielt inne und richtete den Blick auf Gordon, während er sich sammelte. »Sie war ziemlich schwach. Das Treppensteigen war eine große Anstrengung für sie. Ich denke, es liegt im Bereich des Möglichen, daß Jasmine Dent sich selbst eine tödliche Dosis Morphium verabreichte, die Ampullen aus der Wohnung brachte - vielleicht vergrub sie sie im Garten - und sich dann in ihr Bett legte, um zu sterben. Aber ich halte das für höchst unwahrscheinlich. Außerdem war sie eine ordentliche und methodische Frau. Ich glaube nicht, daß sie sich das Leben genommen hätte, ohne etwas Schriftliches zu hinterlassen, für den Fall, daß es Fragen geben sollte.«
»Wie steht es mit der Lebensversicherung?« fragte Gordon. »Vielleicht war es ihr wichtig, ihren Tod als einen natürlichen erscheinen zu lassen, weil sonst der Anspruch an die Versicherungsgesellschaft verfallen würde.«
»Die Suizidklausel war bereits abgelaufen. Es spielte keine Rolle mehr.«
Gordon schob die Lippen vor und richtete die vor ihm liegenden Papiere zu einem ordentlichen Stapel zusammen. »Tja, Mr. Kincaid, ich glaube, ich kann nicht mit gutem Gewissen auf Tod durch Selbstmord erkennen. Diese Untersuchung wird daher gemäß Artikel 20 des Coroner’s Act vertagt, um der Polizei Gelegenheit zu geben, weitere Ermittlungen durchzuführen.«
Kincaid nickte. »Danke, Dr. Gordon.«
Als sie alle aufstanden und zur Tür drängten, hielt Gordon Kincaid auf. Zum erstenmal lächelte er, und seine Förmlichkeit fiel wie eine Verkleidung von ihm ab. »Es hätte die Dinge für Sie vielleicht vereinfacht, wenn ich auf Selbstmord erkannt hätte. Ein Soziopath ist mir tausendmal lieber als diese hinterhältigen Familiengeschichten - da gibt’s wenigstens gutes forensisches Material, Blutspritzer, Fingerabdrücke und dergleichen mehr. Da kann man wissenschaftlich arbeiten. Das ist so ein Hobby von mir«, fügte er etwas verlegen hinzu, während er Unterlagen in seine Aktentasche stopfte. »Auch historische Fälle. Jack the Ripper. Dr. Crippen. Ich habe wahrscheinlich den Beruf verfehlt. Ich hätte Gerichtspathologie machen sollen. Gordon drückte die Schlösser seiner Aktentasche zu, grüßte kurz und wandte sich zur Tür. »Also, viel Glück bei der Klärung dieser Geschichte.« Die Tür des Gerichtssaals fiel quietschend hinter ihm zu.
Kincaid und Gemma sahen einander an und begannen beide zu lachen. »Wer hätte das gedacht?« sagte Gemma.
»Bißchen, als
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