01 Das Hotel im Moor 02 Alles wird gut
hätte Maggie Thatcher die Unterhose runtergelassen«, fügte Kincaid immer noch lachend hinzu, als sie Gordon in den Korridor hinaus folgten.
Draußen war alles leer. Nur das Quietschen ihrer Schuhsohlen auf dem Linoleum war zu hören. Margaret Bellamy und Felicity Howarth waren verschwunden.
»Sie hatten offensichtlich keine Lust auf einen Schwatz«, stellte Gemma fest. »Aber um elf sehen wir sie ja sowieso wieder.«
»Nur wird sich da zum Schwätzen auch nicht viel Gelegenheit ergeben«, erwiderte er und öffnete Gemma die Tür. Gemeinsam traten sie in den grauen Londoner Morgen hinaus, und Kincaid faßte sie automatisch am Arm, als ein Taxi vorbeibrauste und Fontänen öligen Wassers aufspritzen ließ. »Ich komme mir vor, als inszenierte ich eine schlechte Farce mit einem unwilligen Ensemble. >Die Testamentsverlesung<«, intonierte er mit Grabesstimme. »Wahrscheinlich war es eine absurde Idee, aber er hielt inne, als sie den Midget erreichten, und sperrte Gemma die Tür auf der Beifahrerseite auf, »aber als Jasmines Testamentsvollstrecker kann ich zur Unterrichtung der Begünstigten die Form wählen, die ich für richtig halte. Und ich hätte Sie gern dabei, wenn die Vorstellung steigt. Sie können die guten Leute im Auge behalten, während ich Regie führe.«
Sid schoß auf Gemma zu und wickelte sich ihr schnurrend um die Beine, so daß sie stehen bleiben mußte, um nicht über ihn zu fallen. »Du treuloser Kerl«, schimpfte Kincaid. »Dabei bin ich derjenige, der dich füttert.«
»Sie haben sich ja tatsächlich richtig gut um ihn gekümmert.« Gemma kniete nieder, um den Kater zu streicheln. »Er hat sich glänzend erholt.«
Kincaid knipste die Lampen in Jasmines Wohnzimmer an und hatte gerade die Jalousien hochgezogen, als es das erstemal klopfte.
In verlegenem Schweigen, wie Fremde in einem Aufzug, standen Theo Dent, der Major und Felicity Howarth vor der Tür. Kincaid begrüßte sie, schloß die Tür hinter ihnen und hatte ihnen gerade ihre Mäntel abgenommen, als es wieder klopfte. Diesmal war es Margaret Bellamy, sichtlich außer Atem und um einiges zerzauster als bei der Leichenschau; und hinter ihr stand, zu Kincaids Vergnügen, Roger Leveson-Gower. Kincaid drehte sich um und tauschte einen Blick mit Gemma. Er wußte, daß sie das gleiche dachten - solche Pünktlichkeit bei fünf verschiedenen Personen war entschieden unnatürlich. Sie mußten ja alle sehr neugierig sein.
»Ist Ihnen die Post nicht gut genug«, fragte Roger, sich augenblicklich in den Mittelpunkt stellend, »daß Sie uns alle hierher lotsen mußten? Oder genießen Sie es einfach, den kleinen Diktator zu spielen?«
Kincaid lächelte. »Ich kann mich nicht erinnern, Sie eingeladen zu haben.«
Roger legte besitzergreifend einen Arm um Margarets Schultern. Sie schien zu schrumpfen unter seiner Berührung. »Es muß doch jemand dafür sorgen, daß Margaret anständig behandelt wird.«
»Ach, und da sind Sie genau der Richtige?«
»Ganz klar«, antwortete Roger. Die Ironie kam bei ihm gar nicht an.
Ohne Roger weiter zu beachten, wandte sich Kincaid den anderen zu. Felicity hatte auf einem der Eßzimmerstühle Platz genommen. Sie saß kerzengerade wie immer, aber ihre Kopfhaltung verriet Müdigkeit. Der Major war ihrem Beispiel gefolgt und hatte sich ebenfalls gesetzt. Seine Mütze in den Händen drehend, hielt er die blauen Augen unverwandt auf Kincaid gerichtet. Theo stand allein abseits, die Daumen unter seine Hosenträger geschoben, die er nervös schnalzen ließ.
Kincaid richtete das Wort an alle. »Ich werde Sie nicht lange aufhalten. Es tut mir leid, wenn ich Ihnen Umstände gemacht habe. Ich weiß, das ist ein wenig dramatisch, aber mir erschien dieser Weg, die Dinge zu erledigen, als der praktischste.« Er machte eine Pause, um sich zu vergewissern, daß er ihre Aufmerksamkeit hatte. »Und es erschien mir nur recht, Ihnen Jasmines Wünsche persönlich mitzuteilen. Wenn so eine Nachricht per Brief mit der Post kommt...« Er zuckte die Achseln. »Da könnte man ebensogut im Toto gewonnen haben. Aber dies hier sind keine anonymen Geschenke. Jasmine hat sich sehr sorgfältig überlegt, was sie für jeden von Ihnen tun wollte. In gewisser Weise ist dies ihre letzte Mitteilung an Sie.«
Kincaid mußte einen Kloß in seiner Kehle hinunterschlucken. Er hatte sich vorher nicht überlegt was er sagen würde, und seine Worte überraschten ihn selbst ebenso wie die
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