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01 Das Hotel im Moor 02 Alles wird gut

Titel: 01 Das Hotel im Moor 02 Alles wird gut Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Deborah Crombie
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hätte sich ja Jasmine von einem Menschen, den sie nicht kannte und dem sie aller Wahrscheinlichkeit nach nicht getraut hätte, ohne Widerrede eine tödliche Dosis Morphium einflößen lassen müssen, und diese Vorstellung widersprach aller Logik.
      Kincaid bummelte beim Rasieren und Ankleiden, aber als er auf die Straße trat, drehte gerade erst der Milchwagen seine geräuschlosen Runden, und weder das Knallen von Autotüren noch das Heulen startender Motoren störte die frühmorgendliche Stille der Carlingford Road. Der Himmel war klar, es war windstill, impulsiv schälte er den Midget aus seiner Plane. Er liebte es, spät nachts oder morgens in aller Frühe, wenn der Verkehr abgeflaut war, durch die Straßen Londons zu fahren. Er hatte dann das Gefühl, mit der Stadt im Frieden zu sein, eins mit ihr, anstatt sie zu bekriegen.
      Ein Stapel Faxnachrichten lag in seinem Eingangskorb. Kincaid, der lange vor Gemma da war, nahm seinen Schreibtischsessel selbst in Besitz und begann zu lesen.
      Major Harley Keith hatte in der Tat gleich nach dem Krieg, neunzehnhundertfünfundvierzig, als frischgebackener Offizier und frischgebackener Ehemann, seinen Dienst in Indien angetreten. Anfang sechsundvierzig war er in Kalkutta stationiert gewesen und hatte bei den Unruhen dort seine Frau und seine kleine Tochter, ein Säugling noch, verloren. Soweit Kincaid es aus dem ihm fremden Militärjargon herauslesen konnte, war Keiths ehemals vielversprechende berufliche Laufbahn danach in Mittelmäßigkeit steckengeblieben. Neunzehnhundertachtundvierzig war der Major wieder nach Großbritannien versetzt worden und schien den Rest seiner Dienstzeit in irgendwelchen Schreibtischstuben verbracht zu haben.
      Kincaid griff seufzend nach dem nächsten Blatt auf dem Stapel. Es war ein kurzer Bericht der Polizei von Dorset, der meldete, daß ein gewisser Timothy Franklin vor fünfundzwanzig Jahren in der Nervenheilanstalt Farrington oder wie man früher gesagt hatte, der Irrenanstalt Farrington untergebracht worden war. Eingeliefert worden war er von Althea Franklin, seiner Mutter. Bei Franklins Einlieferung war sein Leiden als Schizophrenie diagnostiziert worden, und er war niemals entlassen worden. Althea Franklin war neunzehnhundertsiebenundsiebzig in Bladen Valley gestorben.
      Der Beamte, der den Bericht zusammengestellt hatte, hatte eine handschriftliche Notiz angefügt, um Kincaid zu informieren, daß die Anstalt Farrington sich zwei Meilen nördlich von Dorchester befand und nicht ganz leicht zu finden sei.
      Gemma kam, als er den Bericht beiseite legte und den letzten Schluck seiner zweiten Tasse Kaffee trank. Enttäuschung flog über ihr Gesicht, bevor sie lächelnd sagte: »Na, Sie sind aber heute früh auf den Beinen, Sir.«
      »Ja, ich habe Sie ausnahmsweise mal geschlagen, wie?« Ein albernes Spiel, aber ihm machte es Spaß, und er richtete es so ein, daß er häufiger verlor als gewann, weil er wußte, daß Gemma das Gefühl der Macht genoß, das ein paar Minuten allein in seinem Büro ihr vermittelten.
      »Was von Interesse?« fragte sie, als sie sich ihm gegenüber setzte.
      Er reichte ihr die Berichte und wartete schweigend, während sie las. Als sie den über Major Keith fertig gelesen hatte, sah sie kopfschüttelnd auf. »Er scheint ja über den Tod seiner Frau und seiner kleinen Tochter nie hinweggekommen zu sein. Es ist irgendwie erschreckend, nicht wahr, daß jemand, der so normal und durchschnittlich wie der Major zu sein scheint, eine solche Tragödie erlebt hat?«
      Kincaid verstand, was sie meinte - in gewisser Weise bekam man dadurch das Gefühl, daß man selbst gegen derartige Schicksalsschläge auch nicht gefeit war. Wenn es einem Durchschnittsmenschen wie dem Major zustoßen konnte, dann konnte es auch einem selbst zustoßen.
      »Ich werde ihn danach fragen müssen.« Ohne es eigentlich beabsichtigt zu haben, vertraute er Gemma sein Unbehagen an. »Es ist wirklich unangenehm - aber ich kann es nicht auf sich beruhen lassen, ich muß ihn nach der schlimmsten Zeit seines Lebens fragen und danach weiter als Nachbar mit ihm leben. Und es ist um so schwieriger, weil er so ein ungeheuer zurückhaltender Mensch ist.« Er überlegte einen Moment. »Bei Jasmine hatte ich den gleichen Eindruck. Es wäre einem nicht leicht gefallen, sie nach Dingen aus ihrem Leben zu fragen, die sie nicht von selbst erzählt hat. Zwischen ihr und dem Major muß eine merkwürdige Beziehung bestanden

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