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01 Das Hotel im Moor 02 Alles wird gut

Titel: 01 Das Hotel im Moor 02 Alles wird gut Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Deborah Crombie
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Kincaid rote Fliegenpilze unter den gefallenen Blättern aufleuchten, so hell wie Tropfen frischen Bluts. Vögel sah er keine. Eine gespenstische Stille lag über dem Wald.
      Nach einer Weile führte der Weg ins Sonnenlicht hinaus, und das Gelände begann anzusteigen. Bei jedem Schritt schlug ihm der Feldstecher an die Brust. Brombeersträucher, die in den Weg hineinwuchsen, zerkratzten ihm die Hände und hängten sich an seinen Kleidern fest. Ab und zu mußte er stehenbleiben, um sich zu befreien. Als er sich dem Gipfel näherte, fühlte er sich beinahe von der Erschöpfung überwältigt; die Sonne und die dunstige, von Pollen schwere Luft wirkten wie eine Droge auf seine Sinne. An einer Stelle am Wegrand war der braune Farn niedergetrampelt und flachgedrückt, als hätte dort jemand gelegen. Er streckte sich auf den welken Blättern aus und schlief augenblicklich ein.
      Ein Schatten auf seinem Gesicht weckte ihn. Schlaftrunken wie er war, brauchte er einen Moment, um die Bilder zu sortieren, die sein Auge aufnahm - riesige rot- und gelbgestreifte Schwingen hingen über ihm, und ein menschliches Gesicht, das zwischen ihnen aufgehängt war, blickte zu ihm hinunter. Ein Drachenflieger. Reizende Überraschung. Jetzt erinnerte er sich auch, in einer Broschüre gelesen zu haben, daß Sutton Bank bevorzugtes Gebiet der Drachenflieger war, aber das verdammte Ding hatte ihn fast zu Tode erschreckt.
      Er setzte sich auf und sah zu, wie der Flieger langsam zu Followdale House hinunterschwebte. Dann hob er Emmas Feldstecher an die Augen und stellte die Gläser auf den Parkplatz ein. Hannahs silberner Citroën fuhr gerade durch das Tor und hielt auf dem Vorplatz, die kleine Gestalt, fern und unkenntlich bis auf eine typische Art der Körperhaltung, begab sich auf den Weg zur Tür. Er senkte den Feldstecher und streckte sich, dann stützte er die Ellbogen auf die hochgezogenen Knie. Die Kombination aus tiefem Schlaf und plötzlichem Erwachen hatte wie ein belebendes Tonikum auf ihn gewirkt, so daß er in diesem Augenblick alles mit bemerkenswerter Klarheit und Schärfe sah.
      Diese ganze verdammte Geschichte ergab keinen Sinn, jedenfalls nicht nach dem, was er bisher wußte. Nicht einen Moment lang glaubte er daran, daß eine der Schwestern MacKenzie imstande sein könnte, einen vorsätzlichen Mord zu begehen. Möglich, daß sie ihrem alten Vater unter Skrupeln zu einem schnelleren Ende verholfen hatten, niemals jedoch würden sie töten, um ihre Tat zu vertuschen. Er konnte sich andererseits gut vorstellen, daß sie aus falsch verstandenem Pflichtgefühl oder fehlgeleiteter Dankbarkeit jemanden decken würden.
      Hatte Sebastian gedroht, Cassies Affäre mit Graham publik zu machen? Das wäre auf jeden Fall eine Erklärung für das Gespräch, das er belauscht hatte. Aber selbst wenn es so gewesen sein sollte, welchen Grund sollte einer der beiden gehabt haben, Sebastian zu töten, um dies zu verhindern? Sicher war es der Geschäftsleitung des timesharing-Projekts nicht recht, wenn Cassie zu den Eigentümern intime Beziehungen aufnahm, aber sie hatte doch gewiß keine so drastische Strafe zu fürchten, daß sie deswegen töten mußte.
      Und Graham? Kincaid glaubte nicht, daß Familienrichter, die über das Sorgerecht zu entscheiden hatten, von geschiedenen Vätern erwarteten, daß sie wie Mönche lebten. Im übrigen wäre er zu wetten bereit gewesen, daß Angela genau wußte, was vorging, wenn auch vielleicht nicht bis ins letzte Detail. Sie war um einiges wacher, als ihr Vater glaubte. Wenn also Cassie und Graham in der Nacht vor Sebastians Tod zusammen gewesen waren, warum hatten sie sich dann nicht gegenseitig ein Alibi gegeben?
      Kincaid seufzte. Nicht einmal für diese äußerst vagen Spekulationen besaß er genügend Fakten. Gemma würde vielleicht etwas herausfinden, aber verlassen konnte er sich darauf nicht. Es gab, soweit er sehen konnte, keine andere Möglichkeit für ihn, als sich, obwohl er bereits in unhaltbarer Lage war, noch ein wenig weiter vorzuwagen. An seinem Entschluß, einfach Urlaub zu machen und die ganze Geschichte zu ignorieren, konnte er nicht fest-halten. Er hatte eine ungesunde Neigung, für seinen Beruf wahrscheinlich notwendig, an den Dingen herumzuspielen, wie man das etwa mit einem schmerzenden Zahn macht, den man immer wieder mit der Zunge befühlen muß - je mehr es schmerzt, desto schwieriger ist es aufzuhören.
      Aber da war noch etwas anderes, ein Gefühl, daß das

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