01 Das Hotel im Moor 02 Alles wird gut
aus der Tür und eilte leichtfüßig die Treppe hinunter, ihm entgegen.
»Sir, ich hatte Sie fast schon aufgegeben«, sagte er statt einer Begrüßung. »Ich dachte, es würde Sie vielleicht interessieren, was die Laboruntersuchungen ergeben haben.«
Kincaid blickte zu den blinden Fenstern über ihnen hinauf. »Ja, wir müssen uns wirklich einmal unterhalten. Kommen Sie, gehen wir ein Stück.«
Sie gingen den Weg hinunter zu der Bank am Ende des Gartens - zu eben der Stelle, an der er und Hannah zwei Abende zuvor gestanden hatten, den Blick zum Haus, das mit seinen erleuchteten Fenstern so freundlich und einladend ausgesehen hatte.
»Sie zuerst«, sagte Kincaid, als sie sich gesetzt hatten.
»Sie hatten recht, weder auf dem Heizlüfter noch auf dem Stecker ist auch nur die Spur eines Fingerabdrucks zu finden, der nicht von Cassie Whitlake stammt. Also hat entweder Cassie selbst das Kabel eingesteckt - wobei ich mir nicht vorstellen kann, daß sie so unbekümmert ihre Spuren hinterlassen hätte -, oder aber die Person, die es getan hat, hat Handschuhe getragen. Angenommen, diese Person war Sebastian - und ich habe noch nie von einem Selbstmörder gehört, der zur Ausführung seiner Tat Handschuhe angezogen hat -, was hat er mit ihnen getan? Seine Kleider, seine Brieftasche, sogar sein Taschentuch und sein Kamm - alles lag ordentlich neben der Bank. Hat er das Kabel eingesteckt, die Handschuhe versteckt oder weggeworfen, um dann ans Becken zurückzukehren, sich auszuziehen und hineinzuspringen? Das macht mir keiner weis.« Raskin schwieg einen Moment. »Erstens hätte der Heizlüfter leicht schon einen Kurzschluß haben können, bevor er überhaupt ins Wasser gesprungen war, zweitens hab’ ich noch nie von einem methodischen Selbstmörder gehört, der keinen Abschiedsbrief hinterlassen hat.«
»Nein, daran glaube ich auch nicht«, sagte Kincaid. »Wie steht es mit der Todeszeit?«
»Zwischen zweiundzwanzig Uhr und Mitternacht, meint der Arzt, nach dem Mageninhalt zu urteilen. Enger kann er es nicht eingrenzen.«
»Eine große Hilfe ist das nicht, aber ich habe eigentlich nichts anderes erwartet. Keiner der Gäste hat ein wirkliches Alibi?«
»Nein, kann man nicht behaupten.« Raskin zählte die Leute an den Fingern ab. »Cassie sagt, sie sei gegen zehn in ihren Bungalow gegangen. Die Hunsingers sind schlafen gegangen, nachdem sie die Kinder zu Bett gebracht und noch einen Kräutertee getrunken hatten. Marta und Patrick Rennie haben ausgesagt, sie seien die ganze Zeit in ihrem Apartment gewesen, aber sie scheint sich mit dieser Aussage irgendwie nicht wohl zu fühlen. Die Damen MacKenzie haben sich gegen zehn zurückgezogen und um elf beide geschlafen. Janet Lyle hatte Kopfschmerzen, und ihr Mann brachte ihr eine Tasse Tee. Danach ist sie eingeschlafen, und er ebenfalls. Hm, mal sehen, wer jetzt noch bleibt.«
»Die Frazers«, sagte Kincaid.
»Richtig, die Frazers. Vater und Tochter kamen gegen halb elf aus York zurück, vom Abendessen, und sind danach beide zu Bett gegangen.«
»Und Hannah und ich«, fuhr Kincaid fort, »haben gegen elf noch hier im Garten einen Spaziergang gemacht.. .«
»... und danach haben Sie sich getrennt, und jeder ist in sein eigenes Apartment gegangen«, vollendete Raskin und dehnte seine Finger, bis die Knöchel knackten.
»Alles ziemlich unbrauchbar«, stellte Kincaid mißmutig fest. »Jeder von diesen Leuten kann lügen, und wir würden es nicht merken. Ich bin beispielsweise überzeugt davon, daß Angela Frazer keine Ahnung hat, ob ihr Vater im Apartment war oder nicht. Die beiden hatten auf der Heimfahrt einen Riesenkrach, und sie hat sich daraufhin im Badezimmer eingesperrt. Sie ist dort auf den Fliesen eingeschlafen.«
Raskin grinste. »Ihre Vernehmungstechnik muß ein ganzes Stück besser sein als die meines Chefs - er hat nicht mehr aus ihr herausbekommen als hin und wieder ein mürrisches Ja oder Nein.«
»Das kann ich mir vorstellen. Peter«, sagte Kincaid, sich vorsichtig seinen Weg ertastend, »ich habe heute Sebastians Mutter einen Besuch abgestattet.« Raskin zog nur eine Braue hoch. »Ich habe mir sein Zimmer angesehen. Er hatte einen ganzen Stapel Dossiers über die Eigentümer hier, einige davon mit durchaus brisantem Inhalt.«
Diesmal zog Raskin beide Augenbrauen hoch. »Das wird Nash Ihnen nie verzeihen, Sir. Sobald wir die Laborbefunde hatten, hat er ein Team zu Mrs. Wade geschickt - ihn
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