01 Das Hotel im Moor 02 Alles wird gut
Drehbuch sich nach einer eigenen Dynamik entfaltete, ohne Rücksicht auf sein unbedeutendes Handeln.
Genug. Abrupt stand Kincaid auf. Wenn er so weitermachte, würde er gleich noch Camus lesen und das heulende Elend bekommen. Es war an der Zeit, daß er auf eigene Faust etwas unternahm.
Die Cocktailstunde lockte die Gäste in Followdale House an wie ein Unfallschauplatz die Neugierigen. Sie kamen, dachte Kincaid, trotz ihres Widerwillens, weil ihr Bedürfnis nach Klatsch stärker war als ihr Unbehagen an der Gesellschaft der anderen.
Unbehagen war nicht genau das Wort, das Kincaid verwendet hätte, um das Bild zu charakterisieren, das der Abgeordnete Patrick Rennie und Hannah Alcock boten. Sie standen lebhaft miteinander sprechend vor dem offenen Kamin, der Leute, die um sie herumschwirrten, offenbar gar nicht gewahr. Rennie zeigte sich von der sportlich eleganten Seite im petrolblauen Pullover, dessen Farbe sein glänzendes helles Haar zur Geltung brachte. Kaschmir, dachte Kincaid, das muß Kaschmir sein. Etwas anderes kam gar nicht in Frage. Hannah lachte, das Gesicht Rennie zugewandt, sein Ausdruck strahlend.
Kincaid blieb an der Tür stehen. Er fühlte sich auf kindische, lächerliche Art übergangen. Wie absurd. Sie hatten sich gut miteinander unterhalten, nicht mehr. Er hatte keinerlei Anspruch auf Hannahs Aufmerksamkeit oder Zuwendung.
Er nahm Kurs auf die Bar und ging mit einem nichtssagenden Lächeln an Maureen vorüber, fest entschlossen, sich von ihr auf keinen Fall festhalten zu lassen. Heute abend Bier, dachte er. Der Whisky in diesem Hause blieb am besten medizinischen Zwecken Vorbehalten. Er schenkte sich ein Glas dunkles Ale ein und legte gewissenhaft sein Geld in die Schale.
Marta Rennie saß allein an einem der kleinen runden Tische, dessen glänzende Platte aus irgendeinem Holzimitat mit feuchten Gläserabdrücken und Zigarettenasche beschmutzt war. Sie zog grimmig entschlossen an einer Zigarette. Unter dem Tisch schlug sie mit dem Fuß gedämpft einen krampfhaften Takt. Auch von einer gewissen Eifersucht geplagt, dachte Kincaid. Es gibt keine bessere Kandidatin für verräterische Versprecher als die Eifersüchtige, und Kincaid beschloß, sich das nach Kräften zunutze zu machen.
»Gestatten Sie, daß ich mich zu Ihnen setze?« Er lächelte.
»Bitte.« Ihre nasale Antwort war so desinteressiert wie der Blick, mit dem sie ihn ansah.
Kincaid schob einen der Hocker zurück und setzte sich, ehe er den ersten Schluck von seinem Bier trank. Marta rauchte stumm, die Augen auf irgendeinen unsichtbaren Punkt in der Ferne gerichtet. Kincaid nahm sich die Zeit, sie zu mustern. Der Hautfarbe und dem Typ nach hätte sie die Schwester ihres Mannes sein können, und Kincaid witterte bei den Leuten, die sich Spiegelbilder ihrer eigenen Person zu Partnern nahmen, stets mehr als nur ein Quentchen Narzißmus. Martas geschliffene Eleganz jedoch verlor beträchtlich durch den Geruch nach kaltem Zigarettenrauch, der sie umgab.
»Ich war ganz überrascht, heute abend so viele Leute zu sehen. Ich habe gedacht, die Umstände würden die Stimmung etwas dämpfen.«
Auf diesen schwachen Versuch, ein Gespräch anzuknüpfen, erhielt Kincaid nicht einmal den Hauch einer Antwort. Ein großer persönlicher Erfolg für ihn schien dieser Abend ja nicht gerade zu werden. Marta drückte ihre Zigarette in dem billigen Blechaschenbecher aus und griff mit nicht allzu ruhiger Hand nach ihrem Glas. Sie schien reinen Gin oder Wodka zu trinken, und Kincaid erkannte plötzlich, daß Marta Rennie auf dem besten Weg war, sich sinnlos zu betrinken.
Als sie dann doch etwas sagte, war er überrascht. »Fünfzehnjahre. Die muß mindestens fünfzehn Jahre älter sein als er.« Kincaid konnte jetzt das leichte Lallen hören.
»Wer?«
»Na, diese Wissenschaftlerin...« Sie verstummte wieder. Statt der schwarzen Samtschleife trug sie einen blaßgelben Seidenschal im Nacken. Die weich fallende Schleife war halb aufgegangen und hing ihr unordentlich den Rücken hinunter.
»Sie meinen Hannah?«
»Er ist vollkommen hingerissen. Von ihren verdammten >Leistungen<«, sagte Marta höhnisch. »Aber er wollte partout keine berufstätige Frau. O nein, er wollte eine Frau, die bei den politischen Veranstaltungen neben ihm sitzt und hübsch aussieht. Eine Frau, die er nach seinen Wahlreden vorführen kann wie ein preisgekröntes Pony. Die absolute Sinnlosigkeit.« Sie hielt ihr Glas
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