01 Das Hotel im Moor 02 Alles wird gut
einem fragenden Lächeln an.
»Mrs. Rennie?« fragte Gemma. »Mein Name ist Gemma James.« Sie reichte der Frau ihren Dienstausweis. »Bei der Kriminalpolizei London. Ich hätte Sie gern einen Moment gesprochen, wenn das möglich ist.«
»Aber ja, selbstverständlich.« Mrs. Rennie machte ein verwundertes Gesicht. »Was kann ich für Sie tun?« Ein Hauch von Furcht schlich sich in ihre Züge. »Es geht doch nicht um diese schreckliche Geschichte oben in Yorkshire? Patrick hat angerufen und uns erzählt...« Gemma sah den plötzlichen Schrecken in den Augen der Frau. »Ist etwas mit Patrick? Ist Patrick etwas passiert?«
»Nein, nein«, beschwichtigte Gemma hastig. »Ihrem Sohn geht es gut, Mrs. Rennie. Wir führen lediglich eine Routineuntersuchung sämtlicher Gäste im Followdale House durch.« Sie lächelte ihr ermutigendstes Lächeln.
»Gott, wie albern von mir. Einen Moment lang dachte ich...« Mrs. Rennie faßte sich, erinnerte sich ihrer guten Manieren und bat Gemma in den Vorsaal. »Bitte, kommen Sie doch herein.«
Flüchtig sah Gemma auf ihrem Weg ins Wohnzimmer einen schmalen Tisch, auf dem ein riesiges Blumenarrangement stand, von weichem Licht angestrahlte Ölporträts an den Wänden des Flurs und der Treppe, die nach oben führte.
»Bitte, nehmen Sie Platz. Möchten Sie vielleicht eine Tasse Tee?«
»Das wäre sehr nett, vielen Dank. Die Fahrt hierher war ziemlich mühsam«, antwortete Gemma und dachte, daß sie sich in diesem Haus nicht anbieten würde, in der Küche zu helfen.
Allein, sah sie sich im Zimmer um. Wie der Rest des Hauses vermittelte es einen Eindruck abgenutzter Eleganz - teure Dinge, die viel und gern benutzt wurden; der Perserteppich hatte fadenscheinige Stellen, die mit Chintz bezogenen Sessel und das Sofa hatten dort, wo meistens jemand saß, kleine Mulden. Es gab Bücher und Landkarten und Objekte, von denen sie vermutete, daß sie aus dem Orient stammten. Dieser Raum mit seiner schäbigen Vornehmheit, die nach gediegener Kleidung und vernünftigen Schuhen roch, weckte in Gemma ein Gefühl tiefen Unbehagens.
Sie atmete den Geruch von Blumen und Möbelpolitur und staubigen Bucheinbänden ein und dachte an ihr eigenes kleines Reihenhäuschen, wo die Küchendünste von nebenan durch die Wände zu sickern schienen und sich niemals ganz verzogen, ganz gleich, wie weit sie die Fenster aufriß und wie lange sie lüftete. Sie dachte an ihr Wohnzimmer und die beigefarbene Couchgarnitur mit dem groben, billigen Bezug und strich dabei über den seidig glatten Chintz. Nun, mehr ging eben im Augenblick nicht bei ihrem Gehalt und den Ausgaben für Tobys Tagesheim und den Unterhaltszahlungen von Rob, die ziemlich unregelmäßig kamen.
Geschirrgeklapper aus der Küche riß sie aus ihren Gedanken. Seufzend richtete sie sich auf. Mrs. Rennie stieß mit einer Schulter die Schwingtür auf und kam mit dem Teetablett ins Zimmer. Als Gemma aufstand, um ihr zu helfen, schüttelte sie ablehnend den Kopf. »Nein, bleiben Sie sitzen. Ich schaffe das schon.«
Gemma nahm die Tasse, die sie ihr anbot, und hielt sie sorgsam ausbalanciert auf ihrem Knie.
»Mrs. Rennie«, sagte sie, während sie ihren Tee umrührte, »sind Ihr Sohn und seine Frau schon lange Eigentümer im Followdale House?«
»Seit zwei oder drei Jahren, würde ich sagen. Marta war anfangs ganz begeistert davon, und sie freuten sich jedesmal sehr auf den Urlaub.«
»Aber jetzt nicht mehr?« Gemma trank einen Schluck Tee. Es war Earl Grey, den sie nicht mochte, aber das starke, blumige Aroma schien ihr zu diesem Zimmer zu passen.
»Nun ja, der Reiz des Neuen ist wohl inzwischen ein bißchen verblichen, wie das bei den meisten Dingen der Fall ist. Und Patrick hat ja zur Zeit mit seinen politischen Verpflichtungen sehr viel zu tun. Aber eigentlich«, Mrs. Rennie zog nachdenklich die Brauen zusammen, »war Marta diejenige, die vorgeschlagen hat, sie sollten den Termin ändern oder diesmal woanders hinfahren.«
»Aber das haben sie dann doch nicht getan?«
»Nein. Nein, Patrick hielt nichts davon.«
»Sie sind sicher sehr stolz auf Ihren Sohn, Mrs. Rennie. Soweit ich höre, hat er eine große Karriere gemacht.«
»Ja, das ist richtig. Es ist noch besser gegangen, als selbst wir erwartet haben. In der Partei bezeichnet man seinen Aufstieg als >meteorhaft<.« Sie lächelte liebevoll, aber Gemma glaubte in ihrer Stimme einen Vorbehalt zu hören, eine Andeutung,
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