01 Das Hotel im Moor 02 Alles wird gut
ich nicht selbst gesagt hätte. Ich habe eine Nachbarin, die sich um die Mutter ihres Mannes kümmert - Sie können sich nicht vorstellen, was sie sich von der alten Dame alles gefallen lassen muß...« Als sie zum Ende ihrer kleinen Anekdote kam, hatte Helen ihr Gleichgewicht wiedergefunden.
Kincaid stand auf seinem Balkon, wie ihm das, wenn er nachdenken wollte, zur Gewohnheit geworden war. Er schlug seinen Hemdkragen zum Schutz gegen das kühle Lüftchen hoch, das ihm um die Ohren strich. Das feuchte, unentschlossene Wetter entsprach seiner Stimmung.
Es fiel ihm sehr schwer, sich an die Vorstellung zu gewöhnen, daß Hannah Patricks Mutter war. Niemals hätte er sie für alt genug gehalten, einen erwachsenen Sohn zu haben. Und er hatte die beiden zusammen gesehen, hatte gesehen, wie da ein Funke übergesprungen war, hatte sogar eine schwache Regung von Neid verspürt. Hatte auch Hannah das gesehen? Kein Wunder, daß sie so durcheinander gewesen war.
Lieber Gott, wozu hatte er Hannah getrieben? Er hatte sie mit einer Art Schocktherapie dazu bewegen wollen, ihm wichtige Informationen zu geben, von denen er vermutete, daß sie sie zurückhielt; keinesfalls hatte er sie Hals über Kopf in eine Konfrontation mit Patrick treiben wollen. Aber dazu war es offenbar gekommen; sie waren beide nicht da, das hatte er festgestellt. Hannah hatte ihn mit solcher Dringlichkeit aus ihrem Apartment hinauskomplimentiert, daß ihm gar nichts anderes übriggeblieben war, als zu gehen. Als er ein paar Minuten später zurückgegangen war, um noch einmal zu versuchen, sie zum Reden zu bringen, hatte er vom Fenster auf dem Treppenabsatz die Bremslichter ihres Wagens aufleuchten sehen, als der auf die Straße hinausgefahren war.
Marta Rennie, nüchtern und mürrisch, wußte nicht, wo ihr Mann war, und es schien ihr auch gleichgültig zu sein. »Er schaut sich irgendwelche Sehenswürdigkeiten an«, sagte sie spöttisch. »Mein Gott, geht mir das auf die Nerven.« Und damit hatte sie die Tür geschlossen, noch ehe Kincaid weitere Fragen stellen konnte.
Es schien ihm, daß alles, was er seit Beginn dieser Affäre getan hatte, schiefgegangen war. Er mochte sich drehen und wenden wie er wollte, stets gingen seine Schläge ins Leere; es war Schattenboxen mit einem unsichtbaren Feind. Er hätte sich anhören sollen, was Penny MacKenzie zu sagen gehabt hatte. Er hätte seine Gedanken über Patrick Rennie für sich behalten sollen.
Er hätte Hannah niemals aus den Augen lassen dürfen.
Das Summen des Telefons riß ihn aus seinen Selbstvorwürfen. Er rannte hinein, riß den Hörer von der Gabel, hörte Gemmas Stimme. »Was denken Sie sich eigentlich dabei, mich in der ganzen Weltgeschichte herumzuhetzen?«
Kincaid lachte, aufgemuntert durch den herben Ton ihrer Stimme. »Das weiß ich ehrlich gesagt selber nicht. Was gibt’s denn?«
»Das kann ich Ihnen sagen - mir klebt schon der Autositz am Hintern.«
»Ach so, Mitleid wollen Sie? Also von mir bekommen Sie das nicht. Sie tun wenigstens etwas.«
»Da haben Sie recht. Ich war heute morgen in aller Frühe bei Mrs. Marjorie Frazer in ihrem Büro in Finchley. Sie war nicht erfreut, mich zu sehen, das kann ich Ihnen versichern. Saß anfangs sehr auf ihrem anwaltschaftlich hohen Roß, Aber dann hat sie sich’s anscheinend überlegt und ist zu dem Schluß gekommen, daß es nicht schaden könnte, ihren Ex-Mann richtig anzuschwärzen. Sie sagt, anfangs habe sie das Sorgerecht für die Tochter Angela gehabt, aber dann sei sie es müde geworden, immer die Böse zu sein, und habe sich überlegt, daß Angela, wenn sie mit Graham zusammenlebe, vielleicht merken würde, daß er auch nicht der Supervater ist.«
»Ich würde sagen, das Ziel hat sie erreicht. Es wundert mich allerdings, daß Angela je eine hohe Meinung von ihrem Vater gehabt haben soll.«
»Aber jetzt scheint Mrs. Frazer es sich wieder anders überlegt zu haben. Angela ist im letzten Trimester von der Schule geflogen, einem Nobelinternat. Wegen Drogen, würde ich sagen, Mrs. Frazer hat allerdings nichts darüber verlauten lassen. Wie dem auch sei, jetzt habe sie die Nase voll, sagte sie. Sie ist jetzt entschlossen, das alleinige Sorgerecht zu erkämpfen und ihm selbst das Besuchsrecht zu verweigern.« Gemma machte eine Pause. »Ich hatte nicht den Eindruck, daß es Mrs. Frazer unbedingt um das Wohl ihrer Tochter zu tun ist. Es geht mehr um die Wut auf ihn.« Gemma schien sowohl
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