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01_Der Fall Jane Eyre

01_Der Fall Jane Eyre

Titel: 01_Der Fall Jane Eyre Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jasper Fforde
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Reporterin vor
    Ort; sechs oder sieben Kameras waren auf mich gerichtet, während ich
    mich aus meiner überaus mißlichen und noch dazu höchst uneleganten
    Lage zu befreien und auszusteigen versuchte.
    »Ich bin Lydia Startright vom Toad News Network«, sagte Lydia
    mit ihrer besten Reporterstimme, »und neben mir steht Thursday
    Next, die SpecOps-Agentin, die Jane Eyre gerettet hat. Zunächst
    einmal, Miss Next, möchte ich Ihnen zu Ihrer erfolgreichen
    Rekonstruktion des Romans gratulieren!«
    »Was soll das heißen?« antwortete ich. »Ich habe alles vermasselt!
    Ich habe Thornfield abgefackelt und den armen Mr. Rochester halb
    verstümmelt!«
    Miss Startright lachte. »Jüngsten Umfragen zufolge finden
    neunundneunzig von hundert Befragten den neuen Schluß wesentlich
    besser als den alten! Jane und Rochester heiraten! Ist das nicht
    wunderbar?«
    »Aber die Brontë-Gesellschaft …?«
    »… hat das Buch ja nicht für sich gepachtet«, sagte ein Mann im
    Leinenanzug, an dessen Revers eine große blaue Charlotte-BrontëRosette prangte.
    »Die Gesellschaft ist ein Haufen aufgeblasener Wichtigtuer.
    Gestatten, Walter Branwell, Vorsitzender der Kampfgruppe ›Brontë
    fürs Volk‹.«

    - 379 -
    Er streckte mir die Hand hin und grinste energisch; einige Zuschauer
    klatschten Beifall. Ein regelrechtes Blitzlichtgewitter brach los, als
    mir ein kleines Mädchen einen Strauß Blumen überreichte und ein
    anderer Journalist mich fragte, was für ein Mensch Rochester sei. Der
    Chauffeur nahm mich am Arm und führte mich ins Rathaus.
    »Colonel Phelps erwartet Sie, Miss Next«, raunte er mir freundlich
    zu. Die Menge bildete ein Spalier, und ich kam in eine riesige,
    berstend volle Halle. Verwundert blinzelnd blickte ich mich um. Ein
    aufgeregtes Murmeln ging durch den Saal, und ich hörte mehrere
    Gäste meinen Namen flüstern. Im alten Orchestergraben befand sich
    eine improvisierte Presseloge, besetzt mit einer Phalanx von
    Reportern aller großen Sender. Die Veranstaltung in Swindon war in
    den Brennpunkt des öffentlichen Interesses gerückt; was hier
    gesprochen wurde, war von kaum zu überschätzender Bedeutung. Ich
    bahnte mir einen Weg zur Bühne, wo sich die beiden feindlichen
    Lager an zwei Tischen gegenübersaßen. Über Colonel Phelps hing
    eine große englische Flagge; sein Tisch war mit Wimpeln und Blumen
    geschmückt und bog sich unter der Last von Notizblöcken und
    Flugblättern. Unterstützt wurde er von mehreren, zumeist
    uniformierten Angehörigen der Streitkräfte, die auf der Halbinsel
    Dienst getan hatten. Einer der Soldaten hatte sogar ein Plasmagewehr
    bei sich.
    Am anderen Ende der Bühne stand der »Anti«-Tisch. Auch hier
    saßen zahlreiche Veteranen, freilich nicht in Uniform. Ich erkannte
    das Studentenpärchen, das mich am Flugplatz in Empfang genommen
    hatte, und meinen Bruder Joffy, der mich lächelnd mit einem
    stummen: »Na, du Pflaume?« begrüßte. Es wurde still im Saal; die
    Zuschauer hatten von meiner Teilnahme gehört und auf mein
    Eintreffen gewartet.
    Die Kameras folgen mir, als ich mich der Bühnentreppe näherte und
    langsam hinaufstieg. Phelps stand auf, um mich willkommen zu
    heißen, doch ich ließ ihn links liegen, ging weiter zum »Anti«-Tisch
    und nahm auf dem Stuhl Platz, den einer der Studenten für mich
    geräumt hatte. Phelps war entsetzt; er wurde puterrot, beherrschte sich
    jedoch, als er bemerkte, daß die Fernsehkameras auf ihn gerichtet
    waren.

    - 380 -
    Lydia Startright war mir auf die Bühne gefolgt. Sie sollte die
    Veranstaltung moderieren; sie und Colonel Phelps hatten darauf
    bestanden, auf mich zu warten. Startright war froh darüber; Phelps
    nicht.
    »Verehrte Damen und Herren«, hob Lydia an, »der
    Verhandlungstisch in Budapest ist verwaist, und die neue englische
    Offensive wirft ihren Schatten voraus. Während eine Million Soldaten
    einander auf dem Schlachtfeld gegenüberstehen, wollen wir uns die
    Frage stellen: Wie steht es um die Krim?«
    Phelps stand auf und wollte etwas sagen, doch ich kam ihm zuvor.
    »Ich weiß, es ist ein alter Kalauer«, begann ich, »aber der Krimkrieg
    ist Krim-inell.« Ich machte eine Pause. »Davon bin ich überzeugt, und
    für diese Überzeugung kämpfe ich. Selbst Colonel Phelps dort drüben
    wird mir zustimmen, wenn ich sage, daß es höchste Zeit ist, die Krim
    endgültig zu befrieden.«
    Colonel Phelps nickte.
    »Im Unterschied zum Colonel bin ich allerdings der Meinung, daß
    Rußland einen berechtigteren

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