Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
01_Der Fall Jane Eyre

01_Der Fall Jane Eyre

Titel: 01_Der Fall Jane Eyre Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jasper Fforde
Vom Netzwerk:
wunderschöne Maschine entwickelt, die nichts Aufregenderes
    tat, als mit bestürzender Genauigkeit die Anzahl von Kernen in einer
    ungeöffneten Orange vorherzusagen.
    »Was ist das?«
    »Das«, begann Mycroft strahlend und mit stolzgeschwellter Brust,
    »ist ein …«
    Doch er kam nicht mehr dazu, den Satz zu beenden. Denn genau in
    diesem Augenblick rief Tante Polly vom Haus herüber:
    »Abendessen!«, und Mycroft lief eilig zur Tür. Er murmelte halblaut
    »Hoffentlich gibt’s Würstchen« und bat mich, beim Hinausgehen das
    Licht auszumachen. Ich blieb allein in seiner leeren Werkstatt zurück.
    Mycroft hatte sich wahrhaftig selbst übertroffen.
    Traumhaft! pflichteten die Bücherwürmer bei. Das Abendessen ging
    friedlich über die Bühne. Wir hatten vieles nachzuholen, meine Mutter
    erzählte vom Hausfrauenbund. »Letztes Jahr haben wir fast
    siebentausend Pfund für ChronoGarden-Waisen gesammelt«, sagte
    sie.
    »Sehr gut«, antwortete ich. »Für Spenden ist SpecOps immer
    dankbar, obwohl man gerechterweise sagen muß, daß andere
    Abteilungen weitaus schlechter dran sind als die ChronoGarde.«
    »Ich weiß«, erwiderte meine Mutter, »aber daß das alles so geheim
    ist. Was treiben die bloß alle?«
    »Glaub mir, das weiß ich genausowenig wie du. Reichst du mir mal
    den Fisch?«
    »Welchen Fisch?« fragte meine Tante. »Du hast deine Nichte doch
    nicht etwa als Versuchskaninchen mißbraucht, Crofty?«

    - 112 -
    Mein Onkel tat, als habe er nichts gehört; ich blinzelte, und der
    Fisch verschwand.
    »Die einzige andere Abteilung unter SO-20, die ich kenne, ist SO6«, setzte Polly hinzu. »Das war der Staatsschutz. Und auch das
    wissen wir nur, weil er sich seinerzeit so rührend um Mycroft
    gekümmert hat.«
    Sie knuffte ihn in die Rippen, doch er beachtete sie nicht; er kritzelte
    ein Rezept für »gefundene Eier« auf eine Serviette.
    »Ich glaube, in den Sechzigern verging nicht eine Woche, ohne daß
    er von der einen oder anderen ausländischen Macht gekidnappt
    worden wäre.« Polly seufzte wehmütig und dachte mit einem Anflug
    von Nostalgie an die gute alte Zeit zurück.
    »Manches muß aus ermittlungstaktischen Gründen geheimgehalten
    werden«, plapperte ich wie ein Papagei. »Geheimhaltung ist unsere
    schlagkräftigste Waffe.«
    »Im Mole habe ich gelesen, daß SpecOps angeblich von
    Geheimbünden unterwandert ist, besonders von Wombats«, murmelte
    Mycroft und verstaute die fertige Gleichung in seiner Jackentasche.
    »Stimmt das?«
    Ich zuckte die Achseln. »Nicht mehr als anderswo, nehme ich an.
    Ich habe noch nichts davon gemerkt, aber die Wombats interessieren
    sich ohnehin nicht für Frauen.«
    »Das ist doch ungerecht«, sagte Polly mißbilligend. »Natürlich bin
    ich für Geheimbünde – je mehr, desto besser –, aber ich finde, sie
    sollten allen offenstehen, Männern und Frauen.«
    »Es reicht doch, wenn Männer Mitglied werden«, entgegnete ich.
    »Wenigstens bleibt es der Hälfte der Bevölkerung auf diese Weise
    erspart, sich zum Affen zu machen. Komisch, daß man dir noch keine
    Mitgliedschaft angetragen hat, Onkel.«
    Mycroft grunzte. »Damals in Oxford war ich eine Weile bei den
    Wombats. Reine Zeitverschwendung. Und noch dazu reichlich albern;
    der Beutel scheuerte furchtbar, und das ewige Genage machte meinem
    Überbiß ziemlich zu schaffen.«

    - 113 -
    Niemand sagte etwas.
    »Major Phelps ist in der Stadt«, versuchte ich das Gespräch in
    andere Bahnen zu lenken. »Ich habe ihn im Luftschiff getroffen. Er ist
    jetzt Colonel, predigt aber immer noch denselben Quatsch.«
    Einem ungeschriebenen Gesetz zufolge verlor zu Hause niemand
    auch nur ein Wort über Anton oder die Krim. Folglich herrschte
    eisiges Schweigen.
    »Ach ja?« fragte meine Mutter betont emotionslos.
    »Joffy leitet jetzt eine Gemeinde in Wanborough«, versuchte Polly
    das Thema zu wechseln. »Er hat die erste GSG-Kirche in Wessex
    eröffnet. Ich habe letzte Woche noch mit ihm gesprochen; er sagt, sie
    erfreut sich regen Zuspruchs.«
    Jofry war mein anderer Bruder. Schon in jungen Jahren religiös
    geworden, hatte er mit allerlei Religionen herumexperimentiert und
    sich schließlich für die GSG entschieden.
    »GSG?« brummte Mycroft. »Was in drei Teufels Namen ist denn
    das nun wieder?«
    »Die Globale Standard-Gottheit«, erklärte Polly. »Eine Mischung
    aus allen Religionen. Soll angeblich Religionskriege verhindern
    helfen.«
    Wieder grunzte Mycroft. »Religion ist nie der Grund, sondern
    immer nur der

Weitere Kostenlose Bücher