01_Der Fall Jane Eyre
angeschlossen,
wo er eine längere Haftstrafe verbüßte, weil er es als Hamlet mit der
Schauspielkunst ein wenig übertrieben und Laertes auf offener Bühne
abgestochen hatte.
»Der dritte Mann dort drüben ist Müller, ein Arzt, dessen ich mich
angenommen habe, nachdem man ihm die Approbation entzogen
hatte. Die Einzelheiten sind – wie soll ich sagen? – ein wenig
unappetitlich. Vielleicht unterhalten wir uns gelegentlich bei einem
guten Essen darüber, wenn nicht gerade Hacksteak auf der Speisekarte
steht. Der vierte Mann ist Felix7, einer meiner engsten Vertrauten.
Sein Gedächtnis reicht nur eine Woche in die Vergangenheit, und er
hegt nicht die geringsten Ambitionen für die Zukunft. Seine Gedanken
gelten einzig und allein dem Auftrag, den er auszuführen hat. Er kennt
weder Gewissensbisse noch Gnade oder gar Mitleid. Ein feiner Kerl.
Wir brauchen dringend mehr von seiner Sorte.«
Hades klatschte vergnügt in die Hände.
»Wollen wir uns an die Arbeit machen? Ich habe seit fast einer
Stunde keine Schandtat mehr begangen.«
Mycroft trat widerstrebend vor das ProsaPortal und begann mit den
nötigen Vorbereitungen. Er versorgte die Bücherwürmer mit frischem
Wasser, Futter und einem sauberen Goldfischglas, verlegte
Stromkabel und hielt sich dabei peinlich genau an die Anweisungen in
seinem Schulheft. Während Mycroft an dem Portal herumhantierte,
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machte Acheron es sich bequem und blätterte in einem alten
Manuskript; die Seiten wurden von einem verblichenen roten Band
zusammengehalten und waren mit krakeliger Schrift und nachträglich
eingefügten Korrekturen bedeckt. Er überschlug mehrere Passagen,
bis er gefunden hatte, was er suchte.
»Perfekt!« gluckste er.
Mycroft beendete den Testdurchlauf und trat einen Schritt zurück.
»Es ist soweit«, seufzte er.
»Ausgezeichnet!« Strahlend überreichte Acheron ihm das
Manuskript.
»Offnen Sie das Portal genau hier.«
Lächelnd tippte er auf eine bestimmte Stelle. Mycroft nahm das
Manuskript zögernd entgegen und las den Titel. » Martin Chuzzlewit !
Sie Schuft!«
»Mit Schmeicheleien kommen Sie bei mir nicht weit, werter
Professor.«
»Aber«, fuhr Mycroft fort, »wenn Sie im Originalmanuskript etwas
ändern …!«
»Aber genau darum geht es doch, mein lieber Professor«, sagte
Hades und zwickte Mycroft leicht in die Wange. »Genau … darum …
geht … es. Wozu sollte eine Erpressung auch gut sein, wenn nicht um
aller Welt zu demonstrieren, welch ungeheuren Schaden man
anrichten könnte, so man denn wollte? Ein Bankraub ist ein Dreck
dagegen. Peng, peng, her mit dem Geld? Pah! Außerdem finde ich es
langweilig, Zivilisten umzubringen. Da kann man ja gleich auf
Tontauben schießen. Ein Sondereinsatzkommando ist da schon mehr
nach meinem Geschmack.«
»Aber der Schaden …!« fuhr Mycroft fort. »Sind Sie wahnsinnig!?«
Acherons Augen sprühten vor Zorn, als er Mycroft am Kragen
packte.
»Was? Was haben Sie gesagt? Wahnsinnig, haben Sie gesagt?
Hmm? Hä? Was? Was?« Seine Finger schlossen sich noch enger um
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Mycrofts Kehle, und der Professor spürte, wie ihm der kalte
Angstschweiß ausbrach. Acheron wartete auf eine Antwort, die
Mycroft ihm unter diesen Umständen jedoch beim besten Willen nicht
zu geben vermochte.
»Was? Was haben Sie gesagt?« Acherons Pupillen weiteten sich,
und ein dunkler Schleier trübte Mycrofts Bewußtsein.
»Glauben Sie im Ernst, es macht Spaß , mit einem Namen wie dem
meinen durchs Leben zu gehen? Ständig irgendwelchen Erwartungen
gerecht werden zu müssen? Mit einer Intelligenz geschlagen zu sein,
die so enorm ist, daß Ihnen alle anderen wie Kretins und Idioten
vorkommen?«
Mit Mühe gelang es Mycroft, einen erstickten Laut von sich zu
geben, und Acheron lockerte seinen Griff. Nach Atem ringend sank
der Professor zu Boden. Acheron sah zu ihm herab und hob tadelnd
den Finger.
»Wagen Sie es nicht noch einmal, mich wahnsinnig zu nennen,
Mycroft. Ich bin nicht wahnsinnig, ich bin lediglich … nun ja, wie soll
ich sagen? Moralisch anders gepolt , weiter nichts.«
Wieder reichte Hades ihm den Chuzzlewit , und diesmal ließ Mycroft
sich nicht zweimal bitten. Er legte die Würmer zusammen mit dem
Manuskript in das ProsaPortal; der Apparat war betriebsbereit.
»Es kann losgehen«, verkündete Mycroft freudlos. »Ich brauche nur
noch auf diesen Knopf zu drücken, dann öffnet sich die Tür. Sie bleibt
aber höchstens zehn Sekunden
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