01_Der Fall Jane Eyre
Mycroft.
»Warum?« echote Acheron. »Warum wohl? Für Ruhm und Ehre ,
warum sonst!« brüllte er. »Haben Sie verstanden, Gentlemen …?« Die
anderen nickten gehorsam. »Ruhm und Ehre!« wiederholte er. »Und
Sie können an diesem Ruhm teilhaben …!«
Er winkte Mycroft zu seinem Schreibtisch und holte einen
Aktendeckel mit Zeitungsausschnitten daraus hervor.
»Schauen Sie, was die Presse über mich schreibt!«
Stolz hielt er einen Artikel hoch.
HADES: 74 WOCHEN AUF PLATZ 1
DER FAHNDUNGSLISTE
»Beeindruckend, was?« sagte er und platzte beinahe vor Stolz.
TOAD-LESER WÄHLEN HADES
ZUM »UNSYMPATHEN NR. 1«
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»Die Owl schrieb, Hinrichtung sei viel zu gut für mich, und der
Mole wollte das Parlament dazu bewegen, das Rädern wieder
einzuführen.«
Er hielt Mycroft den Ausschnitt hin.
»Was meinen Sie?«
»Ich meine«, begann Mycroft, »daß Sie Ihre enorme Intelligenz
vielleicht besser darauf hätten verwenden sollen, der Menschheit zu
dienen, statt sie zu bestehlen.«
Acheron machte ein beleidigtes Gesicht.
»Und wo bleibt da das Vergnügen? Güte ist Schwäche, Nettigkeit
Gift, Zufriedenheit ist Mittelmaß, und Nächstenliebe ist was für
Verlierer. Wie ich immer sage: Gemeinheiten muß man um ihrer
selbst willen begehen! Zwar ist gegen einen kleinen Kapitalzuwachs
nichts einzuwenden, doch verwässert er den unvergleichlichen
Geschmack der Niedertracht derart, daß sich bald jeder hergelaufene
Eierdieb daran erfreut. Das wahre, grundlos Böse ist ebenso selten wie
das Gute per se …«
»Ich möchte nach Hause.«
»Aber natürlich!« sagte Acheron lächelnd. »Hobbes, öffnen Sie die
Tür.«
Der Angesprochene tat wie geheißen und trat höflich beiseite. Die
große Tür führte in die Lobby des alten Hotels.
»Ich spreche kein Walisisch«, murmelte Mycroft.
Hobbes machte die Tür wieder zu und verriegelte sie.
»Was Ihnen in Merthyr zum Nachteil gereichen dürfte, alter
Knabe«, sagte Acheron lächelnd. »Ohne Walisisch werden Sie nicht
sehr weit kommen.«
Mycroft sah Acheron beklommen an.
»Aber Polly …!«
- 166 -
»Ach ja!« erwiderte Hades. »Ihre entzückende Gattin.« Er fischte
»Die Narzissen« aus seiner Brusttasche, zauberte ein vergoldetes
Feuerzeug hervor und tat so, als wollte er das Gedicht anzünden.
»Nein …!« schrie Mycroft und machte hastig zwei Schritte
vorwärts. Acheron wölbte eine Augenbraue; die Flamme leckte schon
am Papier.
»Ich bleibe hier und helfe Ihnen«, sagte Mycroft mit matter Stimme.
Ein Grinsen machte sich auf Acherons Gesicht breit. Er verstaute
das Gedicht wieder in seiner Tasche.
»Ein braver Bursche! Sie werden es nicht bereuen.«
Er dachte einen Augenblick nach.
»Obwohl, vielleicht doch.«
Mycroft sank mit wackligen Knien in den erstbesten Sessel.
»Aber eins nach dem anderen«, fuhr Hades fort. »Habe ich Ihnen
eigentlich schon meine teuflischen Mitstreiter vorgestellt?«
Mycroft schüttelte traurig den Kopf.
»Nein? Wie nachlässig von mir. Der Mann mit der Kanone dort
drüben ist Mr. Delamare. Seine Fügsamkeit wird allein durch seine
Dummheit übertroffen. Er tut, was ich ihm sage, und würde notfalls
sogar für mich sterben. Eine Art menschlicher Kettenhund, wenn Sie
so wollen. Sein IQ liegt unter dem eines Neandertalers, und er glaubt
nur, was er im Gad-fly liest. Mr. Delamare, mein Freund, haben Sie
heute schon Ihre böse Tat getan?«
»Ja, Mr. Hades. Ich bin dreiundsiebzig Meilen pro Stunde
gefahren.«
Hades runzelte die Stirn. »Das klingt nicht besonders böse.«
Delamare kicherte. »Durchs Einkaufszentrum?«
Hades hob anerkennend den Zeigefinger und setzte ein zufriedenes
Lächeln auf.
»Sehr gut.«
- 167 -
»Danke, Mr. Hades.«
»Das dort drüben ist Mr. Hobbes. Obwohl er ein begnadeter
Schauspieler ist, zieht die English Shakespeare Company es
törichterweise vor, sein außerordentliches Talent zu ignorieren. Wir
werden versuchen, diesen bedauerlichen Irrtum zu korrigieren; nicht
wahr, Mr. Hobbes?«
»Jawohl, Sire «, antwortete Mr. Hobbes und vollführte einen
tadellosen Kratzfuß. Er trug Strumpfhosen mit einer Schamkapsel und
ein ledernes Wams. Zehn Jahre hatte ihn die ESC bei der Vergabe der
großen Rollen übergangen und somit zu einem unwürdigen Dasein als
Statist und Zweitbesetzung verdammt. Danach war er psychisch derart
angeschlagen, daß es selbst seine Kollegen bemerkten. Er hatte sich
Acheron kurz nach seiner Flucht aus dem Gefängnis
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