01_Der Fall Jane Eyre
Bude hier ist so alt, das ist schon nicht mehr feierlich«,
brummte Frampton und bog rechts ab in einen zweiten Gang. »Wen
suchten Sie noch gleich?«
»Einen Kollegen namens Stoker.«
»Und was treibt der so?«
»Er jagt Vampire.«
»Tatsächlich? Die letzte Plage hatten wir ’78. Ein Schüler namens
Parkes. Machte eine Wanderung durch den Forest of Dean, und als er
zurückkam, war er völlig verwandelt.«
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»Eine Wanderung durch den Forest of Dean?« echote ich ungläubig.
»Welcher Teufel hatte den Knaben denn geritten?«
Der Hausmeister lachte. »Das haben Sie schön gesagt. Symonds Yat
war damals längst nicht so sicher wie heute; wir haben
Vorsichtsmaßnahmen getroffen. Die ganze Schule wurde zur Kirche
geweiht.« Er richtete seine Taschenlampe auf ein großes Kruzifix an
der Wand.
»So, das ist Hörsaal vier.«
Er stieß die Tür auf, und wir betraten einen großen Saal. Der Strahl
von Framptons Taschenlampe glitt über die eichengetäfelten Wände,
doch von Spike keine Spur.
»Sind Sie sicher, daß er Nummer vier gesagt hat?«
»Hundertprozentig«, antwortete ich. »Er …«
Irgendwo zerschellte Glas, und nicht allzuweit entfernt war ein
gedämpfter Fluch zu hören.
»Was war das?«
»Wahrscheinlich Ratten«, meinte Frampton.
»Und die fluchen?«
» Unkultivierte Ratten. Kommen Sie, wir …«
Aber schon hatte ich mir Framptons Taschenlampe geschnappt und
näherte mich einer Tür am hinteren Ende des Hörsaals. Ich stieß sie
auf, und ein widerlicher Formaldehydgeruch schlug mir entgegen. Der
Raum war ein Anatomielabor; bis auf das Mondlicht, das durchs
Fenster fiel, war es stockdunkel. An den Wänden standen Regale
voller eingelegter Präparate: hauptsächlich tierische, aber auch einige
menschliche Körperteile, mit denen die Jungs in der Oberstufe den
Mädchen Angst einjagen konnten. Plötzlich zerbrach ein Glas, und ich
fuhr mit der Taschenlampe in der Hand herum. Mir stockte das Herz.
Spike hatte, bar jeglicher Selbstkontrolle, einen der Behälter zu Boden
geworfen und suhlte sich in der Pfütze. Zu seinen Füßen lagen die
zerbrochenen Überbleibsel mehrerer Gläser; er hatte sich anscheinend
kräftig ausgetobt.
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»Was machen Sie da?« fragte ich und spürte, wie Ekel in mir
hochstieg.
Spike sah mich mit großen Augen an. Seine Lippen waren von
Glasscherben zerschnitten, und aus seinem stieren Blick sprachen
Schrecken und Angst.
»Ich hatte Hunger!« schrie er. »Konnte aber keine Mäuse finden
…!«
Er schloß einen Moment lang die Augen, sammelte mit geradezu
übermenschlicher Kraft seine Gedanken und stammelte dann: »Meine
Medizin …!«
Ich unterdrückte einen Würgreflex und öffnete den Verbandskasten.
Es kam eine Spritze zum Vorschein, die wie ein Kugelschreiber
aussah. Ich zog sie aus dem Etui und ging damit auf Spike zu, der in
sich zusammengesunken auf dem Fußboden kauerte und leise
schluchzte. Plötzlich legte sich eine Hand auf meine Schulter, und ich
fuhr erschrocken herum. Es war Frampton, und ein diabolisches
Lächeln spielte um seine Lippen.
»Lassen Sie ihn nur. Glauben Sie mir, so ist er glücklicher.«
Ich wischte seine Hand von meiner Schulter, wobei ich sie flüchtig
berührte. Sie war eiskalt, und ich spürte, wie ein Schauder mich
durchlief. Unwillkürlich wich ich zurück, stolperte über einen Hocker,
schlug hin und ließ dabei Spikes Injektor fallen. Ich zog meine Waffe
und richtete sie auf Frampton, der auf mich zuzuschweben schien,
ohne den Boden zu berühren. Ohne Vorwarnung drückte ich ab, und
ein greller Mündungsblitz erhellte das Labor. Frampton wurde quer
durch den Raum gegen die Tafel geschleudert und sackte in sich
zusammen. Ich tastete nach dem Injektor und lief damit zu Spike, der
gerade einen besonders großen Behälter mit einem unzweideutig und
unzweifelhaft besonders widerlichen Präparat aus dem Regal zog. Ich
leuchtete mit der Taschenlampe in seine angsterfüllten Augen, und er
murmelte:
»Helfen Sie mir!«
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Ich zog die Schutzkappe von dem Injektor, stieß ihn in seinen
Oberschenkel und drückte zweimal. Ich nahm ihm das Glas ab, und er
sank verwirrt zu Boden.
»Spike? Sagen Sie doch was.«
»Das hat ziemlich weh getan.«
Sagte nicht Spike. Sondern Frampton. Er hatte sich hochgerappelt
und band sich etwas um den Hals, das wie ein Lätzchen aussah.
»Essenszeit, Miss Next. Mit der Speisekarte möchte ich Sie nicht
lange behelligen … aber wenn
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