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01_Der Fall Jane Eyre

01_Der Fall Jane Eyre

Titel: 01_Der Fall Jane Eyre Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jasper Fforde
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hundertprozentig Bescheid wußte, waren SO-9, die
    Sektion TerrorBekämpfung, und SO-1, die Dienstaufsicht – die SpecOps-Polizei, die dafür sorgte, daß wir nicht aus der Reihe tanzten.
    »SO-3?« wiederholte ich. »Wofür sind die denn zuständig?«
    »Für die bizarren Fälle.«
    »Ich dachte, das macht SO-2?«
    »Die erledigen die noch bizarreren Fälle. Ich habe meinen Verlobten
    gefragt, aber er ist leider nicht dazu gekommen, mir eine Antwort zu
    geben – wir waren sozusagen beschäftigt. Schau dir das an.« Paige
    hatte mich in den Saal mit den Manuskripten geführt. Die Glasvitrine,
    in der Martin Chuzzlewit gelegen hatte, war leer.
    »Gibt’s was Neues?« fragte sie eine Beamtin der Spurensicherung.
    »Nein.«
    »Handschuhe?« erkundigte ich mich.
    Die SpuSi stand auf und streckte sich; sie hatte keinerlei Abdrücke
    gefunden.
    »Nein; und genau das ist das Komische daran. Es sieht aus, als ob
    sie den Kasten gar nicht angefaßt hätten; keine Handschuhe, kein
    Tuch – nichts. Wenn ich’s nicht besser wüßte, würde ich sagen, der
    Kasten ist gar nicht geöffnet worden und das Manuskript liegt noch
    darin!«
    Ich inspizierte die Vitrine. Sie war fest verschlossen, und keines der
    anderen Exponate hatten die Diebe auch nur angerührt. Die Schlüssel
    wurden getrennt aufbewahrt und sollten jeden Augenblick aus London
    eintreffen.
    »Hoppla, das ist ja merkwürdig …«, murmelte ich und beugte mich
    vor.
    »Hast du was entdeckt?« fragte Paige erwartungsvoll.

    - 22 -
    Ich deutete auf eine Stelle an einer der Seitenscheiben, die kaum
    merklich pulsierte. Der Bereich hatte in etwa die Ausmaße des
    Manuskripts.
    »Das ist mir auch schon aufgefallen«, sagte Paige. »Ich dachte, das
    Glas hat einen Fehler.«
    »Gehärtetes Panzerglas?« sagte ich. »Auf keinen Fall. Und bei der
    Montage war das noch nicht da; das kannst du mir glauben, ich war
    dabei.«
    »Was dann?«
    Als ich über das harte Glas strich, kräuselte die blanke Oberfläche
    sich leicht. Mir lief ein Schauer über den Rücken, und mich beschlich
    ein unangenehmes Gefühl der Vertrautheit, als hätte mich ein ehemals
    verhaßter Mitschüler nach Jahren wie ein alter Freund begrüßt. »Diese
    Handschrift kommt mir irgendwie bekannt vor, Paige. Ich habe das
    dumpfe Gefühl, daß ich den Täter kenne.«
    »Du bist seit sieben Jahren LiteraturAgentin, Thursday.«
    Ich wußte, was sie damit sagen wollte. »Seit acht, und du hast ganz
    recht – du kennst ihn vermutlich auch. Könnte Lamber Thwalts
    dahinterstecken?«
    »Er könnte durchaus, wenn er nicht noch hinter Gittern säße – für
    die Fälschung von Gewonnene Liebesmüh muß er noch vier Jahre
    schmoren.«
    »Was ist mit Keens? Das ist genau seine Kragenweite.«
    »Milton weilt leider nicht mehr unter uns. Er hat sich in der
    Bibliothek von Parkhurst eine Analepsie geholt. Und war nach
    vierzehn Tagen mausetot.«
    »Hmm.«
    Ich zeigte auf die beiden Videokameras. »Wen haben die gesehen?«
    »Nichts und niemanden«, antwortete Paige. »Ich kann dir die
    Bänder gern vorspielen, aber danach bist du genauso schlau wie
    zuvor.«

    - 23 -
    Sie zeigte mir das vorhandene Material. Der diensthabende
    Wachmann wurde auf dem Revier vernommen. Die Kollegen hofften,
    daß die Sache auf das Konto eines Angestellten ging, doch danach sah
    es nicht aus; der Wachmann war ebenso fassungslos wie alle anderen.
    Paige spulte das Video zurück und drückte auf PLAY. »Paß genau
    auf. Der Recorder geht die fünf Kameras nacheinander durch und
    nimmt jeweils fünf Sekunden auf.«
    »Das heißt, niemand bleibt länger als zwanzig Sekunden
    unbeobachtet.«
    »Du hast’s erfaßt. Siehst du? Da haben wir das Manuskript …« Sie
    zeigte auf das Buch, das gut sichtbar in der Bildmitte lag, als der
    Videorecorder auf die Kamera über dem Eingang schaltete. Es war
    alles ruhig. Dann weiter zur Innentür, durch die jeder Einbrecher hätte
    kommen müssen; die anderen Eingänge waren vergittert. Dann kam
    der Korridor, danach das Foyer; schließlich wechselte der Apparat in
    den Manuskriptsaal zurück. Paige drückte die PAUSE-Taste, und ich
    beugte mich vor. Das Manuskript war verschwunden.
    »Zwanzig Sekunden Zeit, um einzusteigen, den Kasten zu knacken,
    Chuzzlewit abzugreifen und die Fliege zu machen? Ausgeschlossen.«
    »Glauben Sie mir, Thursday, genau so ist es gewesen.« Letztere
    Bemerkung stammte von Boswell, der mir über die Schulter geblickt
    hatte. »Ich habe keine Ahnung, wie es die Kerle geschafft

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