01_Der Fall Jane Eyre
Geheimhaltungsvorschriften keine Gedanken zu machen
brauchen. Ich kann das aber auch von Boswell bestätigen lassen, wenn
Ihnen das lieber ist …«
Mein Herz schlug schneller. Gespräche mit ranghöheren SpecOpsBeamten führten mitunter dazu, daß man versetzt wurde …
»Also, Miss Next, wie denken Sie über Chuzzlewit ?«
»Wollen Sie meine persönliche Meinung hören oder die offizielle
Version?«
»Ihre Meinung. Für die offiziellen Versionen ist Boswell
zuständig.«
»Ich glaube, es ist noch zu früh, um etwas Genaues zu sagen. Wenn
Erpressung das Motiv ist, können wir mit ziemlicher Sicherheit davon
ausgehen, daß das Manuskript noch vollständig und unversehrt ist.
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Gleiches gilt, wenn es gestohlen wurde, um es zu tauschen oder zu
verkaufen. Wenn allerdings Terroristen dahinterstecken, sollten wir
uns Sorgen machen. In den Fällen eins und drei haben die LitAgs
nichts mit der Sache zu tun. Dann übernimmt SO-9, und wir sind aus
dem Spiel.«
Der Mann sah mich eindringlich an und nickte.
»Sie fühlen sich hier nicht besonders wohl, nicht wahr?«
»Ehrlich gesagt, ich habe die Nase gestrichen voll«, sagte ich,
vielleicht eine Idee zu ehrlich. »Wer sind Sie überhaupt?«
»Entschuldigen Sie. Schlechte Kinderstube; die Mantel-und-DegenGeschichten sollten Sie nicht allzu ernst nehmen. Meine Name ist
Tamworth, Einsatzleiter SO-5. Aber«, setzte er hinzu, »das hört sich
dramatischer an, als es ist. Noch sind wir nur zu dritt.«
Ich schüttelte seine ausgestreckte Hand. »Zu dritt?« fragte ich
neugierig. »Ist das für eine SpecOps-Abteilung nicht ein bißchen
dürftig?«
»Ich habe gestern mehrere Mitarbeiter verloren.«
»Das tut mir leid.«
»Nein, nein. Wir haben lediglich gute Fortschritte gemacht, und das
ist nicht immer von Vorteil. Einige Mitarbeiter der Abteilung sind
zwar erstklassige Ermittler, drücken sich aber vor jedem Einsatz. Sie
haben Kinder. Ich nicht. Insofern kann ich das verstehen.«
Ich nickte. Das ging mir ähnlich. »Was wollen Sie eigentlich von
mir?« fragte ich so beiläufig wie möglich. »Ich bin nur eine kleine
LiteraturAgentin. Wie mir der SpecOps-Versetzungsausschuß quasi
durch die Blume zu verstehen gegeben hat, reicht mein Talent
allenfalls für einen Job am Schreibtisch oder Küchenherd.«
Tamworth lächelte. Er klopfte auf den Aktenordner, den er vor sich
liegen hatte. »Ich weiß. Da die SpecOps-Personalabteilung nicht weiß,
wie man anständig Nein sagt, speist man die Antragsteller immer mit
Ausflüchten ab. Darin sind diese Leute ganz groß. Dabei ist man sich
Ihrer Fähigkeiten dort vollauf bewußt. Ich habe eben mit Boswell
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gesprochen, und er ist durchaus bereit, Sie gehen zu lassen,
vorausgesetzt, Sie möchten überhaupt in unsere Abteilung wechseln.«
»Sie kommen von SO-5, da hat er wohl keine andere Wahl, oder?«
Tamworth lachte. »Nein. Aber Sie. Ich würde nie jemanden
einstellen, der nicht mit mir zusammenarbeiten will.«
Ich sah ihn an. Er meinte es ernst.
»Ist das eine Versetzung?«
»Nein«, antwortete Tamworth. »Ich brauche Sie nur, weil Sie über
Informationen verfügen, die wir dringend benötigen. Sie werden als
Beobachterin fungieren, weiter nichts. Wenn Sie erst mal wissen,
womit wir es zu tun haben, werden Sie dafür noch dankbar sein.«
»Mit anderen Worten, wenn der Fall abgeschlossen ist, werde ich
wieder hierher zurückversetzt?«
Er sah mich eine Zeitlang schweigend an und überlegte, wieviel er
mir versprechen konnte, ohne mich anzulügen. Das machte ihn mir
sympathisch.
»Ich kann für nichts garantieren, Miss Next, aber wer einmal für
SO-5 gearbeitet hat, darf getrost davon ausgehen, nicht bis in alle
Ewigkeit bei SO-27 versauern zu müssen.«
»Was soll ich tun?«
Tamworth holte ein Formular aus seinem Aktenkoffer und schob es
mir über den Tisch. Mit meiner Unterschrift verpflichtete ich mich zu
strengstem Stillschweigen und trat nahezu sämtliche Menschenrechte
an SpecOps ab – und noch viel mehr, falls ich einem Kollegen mit
geringerem Sicherheitsstatus auch nur ein Sterbenswörtchen über
meine Tätigkeit verriet. Ich setzte pflichtschuldig meine Signatur
darunter und gab ihm das Formular zurück. Dafür bekam ich eine
polierte SO-5-Marke mit meinem Namen. Tamworth kannte mich
besser, als ich dachte. Als das erledigt war, senkte er die Stimme und
begann: »SO-5 ist in erster Linie für die Verhaftung und Eliminierung
von Straftätern zuständig.
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