01 - Der Ring der Nibelungen
entgegensehen«, mahnte Hagen, wie immer neben dem Thron stehend. »Immerhin werdet Ihr König von Burgund sein.«
Gunther studierte missmutig ein paar Pläne. »Mir ist nicht nach Tanz und Festschmaus zu Mute.«
»Der Pöbel will saufen und die Beine schwingen«, hielt Hagen dagegen. »Es kann in diesen Zeiten nicht genügend Gründe geben, das gemeine Volk bei Laune zu halten.«
Die Wache an der Tür zum Saal schlug ihre Lanze gegen das Holz, um einen Besucher anzukündigen.
Es war ein alter Mann, der eintrat, sichtlich in vielen Schlachten gezeichnet, der linke Arm war nur noch ein Stumpf. Doch sein Blick war stolz und ungebrochen.
»Es ist Laurens, der ehemalige Heerführer von Xanten«, murmelte Hagen. »Behandelt ihn mit Respekt, doch hütet Euch vor überstürzten Bündnissen. Sein Anliegen mag ehrenwert sein, doch die Rache Hjalmars, die in seinem Schatten reist, darf nicht auf Burgund fallen.«
Gunther nickte grimmig. Seine Kundschafter hatten ihm bereits von hektischer Betriebsamkeit im Heer des Dänenkönigs berichtet. Zwar hatte Hjalmar Xanten niemals endgültig seinem Reich einverleiben können, und die störrische Provinz band viele seiner Kräfte, aber ohne eine Allianz Burgunds mit den Franken oder den Hunnen war an eine offene Konfrontation nicht zu denken.
Aus Rom war keine Hilfe zu erwarten. Zwar hatte das einstmals mächtige Imperium das Herrscherhaus von Burgund eingesetzt, doch die Macht der Besatzer schwand zusehends. Es brauchte keinen Hellseher, um die endgültige Vertreibung der Legionen bis an die Alpen vorauszusagen.
»Laurens«, sagte Gunther freundlich, aber unverbindlich. »Ich höre, Ihr wart ein getreuer Diener von Siegmund. Mein Vater erzählte mir oft von den mutigen Taten des Königs von Xanten.«
Laurens nickte ergeben. »Prinz Gunther, es ist eine Ehre, von Euch empfangen zu werden. Xanten ist auch der Grund, der meine Reise in das schöne Rheintal führte.«
»Wie man hört, sind viele Aufrührer Hjalmar wie Zecken am Leib, an denen er sich blutig kratzt.«
»Ihr seid gut im Bilde, Hoheit«, sagte Laurens. »Die Niederländer widerstehen der Willkürherrschaft der Dänen, soweit sie es ohne Gefahr für Leib und Leben können. Weder Steuern noch Ernten fallen so aus, wie der Schurkenkönig es sich wünscht. Aber unter der Knute der Besatzer stirbt der Wille nach bald zwanzig Jahren. Zu viel Blut hat den Boden Xantens getränkt, zu viele Kinder sind Hungers gestorben. Wenn Hjalmar das Land nicht knechten kann, wird er jegliche Menschenseele daraus vertreiben.«
»Was können wir tun?« Gunthers Frage war aufrichtig gemeint, auch weil er wusste, dass Laurens ihm keine Antwort würde geben können.
Der alte, vom Leben gezeichnete Mann war sichtlich erstaunt. »Ich komme nicht, um Hilfe zu erbitten. Ich weiß um die Sorgen, die Burgund belasten. Ich bin gekommen, um Burgund vor dem Schicksal Xantens zu bewahren!«
Gunther und Hagen sahen sich an.
»Wovon sprichst du?«, bellte Hagen schließlich. »Burgunder und Dänen mögen keine Freunde sein, aber Hjalmar wird sich hüten, einen Fuß über unsere Grenzen zu setzen.«
Laurens sank auf die Knie, darauf hoffend, durch Demut mehr Gehör zu finden. »Hjalmar weiß um die Not Eures Reiches. Eine schlechte Ernte, ein schwaches Heer, ein neuer König. Und es ist zu befürchten, dass Mundzuk Euch nicht zur Seite steht.«
»Ich werde Hjalmar wissen lassen, dass es ein Fehler wäre, die Wehrhaftigkeit der Burgunder zu unterschätzen«, knurrte Gunther. »Die Verluste wären auf beiden Seiten groß. Seid Ihr sicher, dass er bereit ist, so weit zu gehen?«
»Er wird es sein, wenn er erfährt, wem Ihr am Hofe Unterschlupf gewährt«, prophezeite Laurens, und mit einem Mal klang seine Stimme weder bittend noch brüchig. Sie war herausfordernd und mit einem gefährlichen Unterton.
Nicht ohne Stolz bat Siegfried die Wachen am Burgtor um Einlass. Er hatte Nothung in Leder gewickelt und unter den Arm geklemmt, um kein Aufsehen zu erregen. Dafür würde später noch Zeit sein - wenn der Schmied Siegfried als der Held Siegfried gefeiert würde.
Er hoffte, dass Gunther Zeit haben würde, trotz der Krönungsvorbereitungen mit ihm zu sprechen. Der Segen des künftigen Regenten von Burgund war ihm wichtig. Regin hatte Siegfried geraten, vor dem Kampf mit Fafnir den Preis für den Sieg zu verhandeln. Es war davon auszugehen, dass Gunther - angesichts der Gefahr und der mangelnden Zuversicht in den jungen Schmied - leichtfertig viel
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