01- Die Normannenbraut
untergegangen, als er Grenilde endlich zu Boden gleiten ließ. Zitternd stand er vor ihr, warf den blonden Kopf in den Nacken und schrie seine Verzweiflung zum Himmel hinauf. Sogar die tapfersten Dänen, die seine Klage hörten, erschauerten und beteten zu ihren Göttern. Nur zu gut kannten sie das mächtige Geheul des Wolfs, und es jagte ihnen Angst und Schrecken ein.
***
Aed Finnlaith stand auf einem Hügel oberhalb des Sees und betrachtete das blutige Schlachtfeld. In den Gestalten, die zwischen den Leichen umhergingen, erkannte er ausnahmslos Dänen. Ob es an ihrer Überzahl und ihrem strategischen Talent lag oder ob der Heilige Patrick ihre heidnischen Gebete erhört hatte, würde er niemals erfahren. Jedenfalls trugen sie den Sieg davon. Dubhlain, jahrelang in norwegischer Hand, gehörte jetzt den Dänen.
Aed kniete nieder, schloss die Augen und betete stumm. Die gefallenen Krieger, die das Schlachtfeld übersäten, waren seine Feinde, aber er fand keine Freude am ungeheuren Tribut, den der Tod gefordert hatte. Lass es zu Ende gehen, Allmächtiger, flehte er stumm. Lass die Dänen diese Stadt regieren und ihre Mauern bauen, halte sie ab von Überfällen auf weitere Landesteile, lass uns in Frieden leben …
Doch er ahnte, dass sein Gebet kein Gehör finden würde.
»Vater!«
Eine Hand berührte seine Schulter, und er wandte sich zu seinem Sohn Niall von Ulster, einem kraftvollen, dreißigjährigen hübschen Riesen, dessen ernste grüne Augen die vom Vater geerbte Klugheit widerspiegelten.
»Fennen und Maelsechlainn erwarten uns, Vater. Wir müssen hinabreiten und von den Dänen den Tribut für den Schrein des Heiligen Patrick entgegennehmen.«
Der Ard-Righ nickte, erhob sich und zuckte ein wenig zusammen, als seine Gelenke knackten. In Nialls Gegenwart störte ihn das nicht, denn sein Sohn zeigte kein Verlangen, die Krone noch zu Lebzeiten des Vaters an sich zu reißen. Manchmal bezweifelte Aed, dass Niall überhaupt die Position des hohen Königs anstrebte. Dieser Titel war nicht erblich, sondern wurde zwischen mehreren mächtigen königlichen Stämmen weitergegeben. In Ulster musste der junge Mann seine eigenen Schwierigkeiten bewältigen, die ständige Bedrohung durch die Wikinger.
Doch es gab genug andere Männer, die einen unvorsichtigen König stürzen konnten, und ein Mann in Aeds Lage durfte keine Schwäche zeigen. Er griff nach den Zügeln seines Pferds und stieg auf, mit geschmeidigen Bewegungen, die seine schmerzenden Knochen Lügen straften. »Wir reiten zu den Dänen!« rief er seinem Sohn zu.
Die Trompeten des Ard-Righ erklangen, und die Iren rückten vor. Die Dämmerung brach herein, während sie den Hang hinabritten. Und als sie sich zwischen den Gefallenen einen Weg zum Zelt Friggid des Krummbeinigen bahnten, des dänischen Heerführers, loderten bereits mehrere Feuer im hastig aufgeschlagenen Lager. Ringsum grinsten triumphierende Dänen und beobachteten die Iren. Ihre verschlagenen Blicke ließen Aed erschauern, denn sie warnten ihn vor einem Waffenstillstand, der nur zu leicht gebrochen werden konnte.
Trotzdem trat er Friggid furchtlos entgegen. Der temperamentvolle rothaarige Anführer herrschte gerade seine Männer an: »Findet ihn! Der Wolf muss sterben!« Dann bezwang er seinen Zorn und wandte sich zu dem irischen König. »Ein wahres Gemetzel, Ard-Righ.«
Aed lächelte grimmig. Der mörderische Däne hatte Angst, ein ganz bestimmter Norweger könnte überleben - der Wolf.
***
Die ganze Nacht verbrachte Olaf an Grenildes Seite. Am Morgen war er ein ruhiger, veränderter Mann, entschlossener denn je. Die Wunde an seinem Schenkel eiterte, doch er achtete nicht darauf. Er hob die Tote auf seine Arme und ging auf die Suche nach Wasser. Heiß brannte die Sonne herab, doch er verlangsamte seine Schritte nicht. Zu Mittag erreichte er einen Bach, in dem er seine Liebste badete. Ehrfürchtig strich er über ihr seidiges Haar, die glatte kühle Haut.
Aus Zweigen und Blättern errichtete er eine Bahre, bettete sie darauf und legte ihr Schwert zwischen ihre Hände. Ringsum stapelte er Brennholz aufeinander, so hoch wie möglich, damit ihre Reise nach Walhall erleichtert wurde. Der Wind würde sie emportragen, und dann würde sie neben dem Kriegsgott Odin sitzen und das Leben einer Prinzessin führen, das ihr auf Erden nicht vergönnt gewesen war.
Ein letztes Mal küsste Olaf die kalten Lippen.
Er suchte und fand einen Flintstein, entzündete einen Funken und
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