01- Die Normannenbraut
hielt eine Fackel an das Brennholz. Bald schlugen helle Flammen aus der Bahre. Während die Sonne unterging, stand er am Ufer des Bachs und beobachtete das Feuer. Seine Augen nahmen einen harten Ausdruck an. Jetzt schrie er nicht mehr seine Klage zum Himmel hinauf. Sie war ein Teil von ihm geworden, ein Teil seines Herzens.
Am nächsten Morgen konnte er kaum stehen. Seine Wunden hatten ihn geschwächt. Er kniete nieder, beugte sich zum Bach hinab, trank durstig, dann wusch er den Eiter von seinem Schenkel. Der Schmerz brannte so heftig wie Grenildes Totenfeuer am vergangenen Abend.
Er bemühte sich, die Wunde zu reinigen, aber die Müdigkeit überwältigte ihn, und er brach zusammen. Halb im Wasser blieb er liegen, das Gesicht im Schlamm vergraben, das goldene Haar schmutzig und verfilzt. Doch die sanften Wellen reichten nicht bis zu seinem Mund und seiner Nase. Der Wolf war gefallen, aber er atmete immer noch.
Kapitel 4
Auf Zehenspitzen schlich Erin in der Hütte umher und zog sich lautlos an. Sie schlüpfte in eine kurze wollene Tunika und dicke Ledergamaschen, dann schlang sie einen Gürtel aus ziseliertem Gold um ihre Taille. Vielleicht lag ein beschwerlicher Ritt vor ihr, und dabei wollte sie nicht von Frauenkleidung behindert werden. Sie nahm ihren tannengrünen Umhang vom Haken neben der Tür und legte ihn um die Schultern. Als sie den schweren Holzriegel berührte, verstummte Mergwins Schnarchen.
»Wohin geht Ihr, Erin?«
»Nur zum Bach«, antwortete sie und lächelte ihn unschuldig an.
»Heute solltet Ihr nicht ausreiten. Im ganzen Wald lauert Gefahr.«
»Ich nehme mein Schwert mit. « Mutwillig fügte sie hinzu: »Und was kann mir schon zustoßen? Ihr sagtet doch, ich würde im Kreis meiner zahlreichen Kinder alt werden.« Rasch schloss sie die Tür hinter sich und lachte, als sie den Druiden leise fluchen hörte. Er würde sich keine ernsthaften Sorgen machen, denn er wusste, wie gut sie den Wald kannte. Und vor Kriegern, die sich vom Hauptschauplatz des Kampfes entfernten, würde sie sich in acht nehmen, auf die Stimmen des Windes und der Erde lauschen, so wie Mergwin es ihr beigebracht hatte.
jedenfalls musste sie das Schlachtfeld aufsuchen, alles mit eigenen Augen sehen.
Was sie dazu trieb, wusste sie nicht genau. Im Grunde fand sie ihren Hass gegen die Norweger lächerlich, denn die Dänen waren noch viel barbarischer. Ihr Vater, der oberste König, vermochte politische Fragen verstandesmäßig abzuwägen, während sie nur an ihre Seelenqual dachte, die ihr norwegische Krieger zugefügt hatten angeführt von Olaf dem Weißen.
Immer wieder zügelte sie ihr Pferd, als sie auf überwucherten Wegen zum Hügel oberhalb des Sees ritt. Sie beherzigte Mergwins Warnung, hielt Augen und Ohren offen. Doch es war schwierig, an einem so schönen Tag Gefahren zu erkennen. Der Himmel leuchtete strahlend blau, mit weißen Schäfchenwolken, Tauperlen glitzerten im hohen Gras, amethystfarbenes Heidekraut übersäte die Wiesen.
Nach einer knappen Stunde stieg sie ab, band das Pferd fest und kämpfte sich durch dichtes Gestrüpp zu den hohen Klippen über Carlingford Lough. Nichts in ihrem Leben, nicht einmal Clonntairth, hatte sie auf das grausige Bild vorbereitet, das sie nun sah. Für eine Weile wurde ihr sogar schwindlig. Zwischen den zerfetzten, verstümmelten Leibern auf dem Schlachtfeld tummelten sich bereits die Aasgeier. Wie viele Leichen mochten es sein? Sicher ein paar tausend .
Rasch wandte sie sich ab, um dem Alptraum zu entrinnen. Genauso entschlossen, wie sie hierhergekommen war, drängte es sie jetzt, dieser Luft zu entfliehen, die nach Tod und Verwesung roch. Sie merkte kaum, wie heftig sie schluchzte, während sie durch das Dickicht zu ihrer Stute zurückkehrte. Dornen zerkratzten ihr die Wangen, ein dünnes Blutrinnsal mischte sich mit ihren Tränen. Sie holte tief Atem und stieg aufs Pferd. Erst jetzt erkannte sie, dass sie zu entsetzt gewesen war, um festzustellen, ob gefallene Norweger oder Dänen das Schlachtfeld übersäten. Sie wusste nicht, wer den Sieg errungen hatte.
Angesichts der zahlreichen Toten müssen es die Dänen sein, dachte sie. Und es wäre eine zu große Ironie des Schicksals, wenn es der Wolf geschafft hätte, dem Gemetzel zu entkommen. Falls es tatsächlich eine höhere Gerechtigkeit gab, würde Olaf der Weiße inmitten all der Norweger liegen, die man den Aasfressern überlassen hatte. Hoffentlich, betete Erin, damit ich die Vergangenheit endlich vergessen und
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