01 - Die verbotene Oase - Mein neues Leben im Harem der Frauen
Missionarin hier“, hatte sie nur gesagt und ihr Kreuz unter die Bluse gesteckt.
Die Lösung einer ganz anderen Frage zog währenddessen ungeahnt weite Kreise. Ebenso wie Fatima sprachen auch die beiden anderen Schülerinnen nur lückenhaft Englisch. Joshua spielte im Unterricht den Dolmetscher, was wohl ganz unterhaltsam war, jedoch das Lernen recht schwierig gestaltete.
Zunächst versuchte Magdalena, den anstehenden Stoff gemeinsam mit mir vorzubereiten, doch ich hatte nicht immer Zeit. Also wendete sie sich an Ada und legte ihr den englischen Text vor. So kam an den Tag, was niemand gewusst hatte: Ada konnte nicht lesen.
„Im Norden Nigerias, wo ich aufgewachsen bin, gingen nicht viele Mädchen in die Schule“, berichtete Mama Ada meiner Schwester, die mir das Gespräch wiedergab. Es hatte Ada eine Menge Tricks gekostet, später im Harem ihr Unvermögen zu verbergen. Schließlich hatte sie zu Zeiten von Papa David bei den Zusammenkünften auch aus der Bibel vorlesen müssen. Dafür hatte sie den Text auswendig gelernt.
„Was für eine Leistung des Gehirns“, staunte Magdalena. „Was hätte Ada zuwege gebracht, wenn man sie in die Schule gelassen hätte?“
Da auch einige meiner jüngeren Gefährtinnen Schwierigkeiten mit Schreiben und Lesen hatten, entstand die Idee, sie ebenfalls zu unterrichten. Allerdings blieb damit Magdalenas eigentliches Anliegen ungelöst: Sie musste schnellstens Haussa lernen. Da Joshuas Deutschkenntnisse zu wünschen übrig ließen, entstand eine völlig neue Konstellation. Er brachte seiner Lehrerin die hiesige Sprache bei, sie ihm dafür Deutsch. Die wissbegierige Fatima bekam diese spezielle Form der Nachhilfe schnell mit, und nun setzte ein wahrscheinlich einmaliges Sprachexperiment ein: der Deutsch-Haussa-Englisch-Unterricht.
„Es ist faszinierend, wie lernfähig eure Kinder sind“, staunte Magdalena und stöhnte: „Aber ich bin hinterher ganz schön geschlaucht!“ Sie absolvierte diesen Crashkurs anfangs ohne Wörterbuch. Erst später brachte Herr Musa ein Haussabuch mit, das alles erheblich vereinfachte.
Fatimas Ehrgeiz färbte auf ihre beiden Mitschülerinnen ab. Nach dem Unterricht blieben sie oft länger und nutzten die Gelegenheit, um ihr Englisch zu verbessern. Damit verschob sich das Ende des Unterrichts bis in die frühen Nachmittagsstunden.
„Führt doch eine Schulspeisung ein“, schlug Amara vor, deren Aufenthalt sich dem Ende zuneigte. Noch bevor wir das in unserer Zusammenkunft beschließen konnten, reiste meine Mentorin wieder ab. Ich vermisste ihre Nähe schmerzlich,
denn ich hatte eingesehen, dass ich ihren Rat immer noch brauchte. Trotz Efes und Bisis Anwesenheit im Heilhaus erschien es mir plötzlich sehr leer und ruhig darin.
Unsere nächste Versammlung, an der auch Magdalena inzwischen gewohnheitsmäßig teilnahm, billigte die Schulspeisung ohne Widerspruch.
Magdalena übernahm es, mit den zwei betroffenen Elternpaaren das Schuldgeld auszuhandeln, das nun auch das Essensgeld einschloss. Es war ein mehr symbolischer Betrag. Mama Funke hatte sich bereit erklärt, das Schulessen zu kochen. Auch jenes für die drei Musliminnen, wobei die Speisevorschriften eingehalten werden mussten.
Funke, Ngozi sowie ihre beiden Ziehtöchter Elisabeth und Florence waren die Letzten, die noch die weiße Kleidung aus Haremszeiten trugen. Wir anderen mischten inzwischen die bunten Tücher kreuz und quer durcheinander.
Magdalena war amüsiert über die vier Traditionalistinnen, zeigte das aber nicht offen. Sie war sehr darauf bedacht, von den anderen akzeptiert zu werden, was ihr auch sehr schnell gelang.
Eines Spätnachmittags kam Magdalena aufgeregt zu mir. „Stell dir vor, Funke hat den Kindern heute ihr Essen gebracht. Du wirst es nicht glauben. Sie trug zur weißen Bluse bunte Kopf- und Wickeltücher!“
„Hat sie das irgendwie erklärt?“, wunderte ich mich.
„Nein, kein Wort. Hast du eine Idee, was das zu bedeuten hat?“
„Ich würde sagen: Wir werden eine Gruppe ganz normaler Frauen“, scherzte ich, „mit einer Schule, einem Krankenhaus und einem Restaurant.“
Untergehakt schlenderten wir über unsere Farm, genossen die friedliche Stimmung und setzten uns schließlich an unseren Lieblingsplatz, neben die Bougainvilleabüsche.
„Ob sie uns zusieht?“, fragte meine Schwester. „Ich glaube, sie wäre ein bisschen stolz auf uns, meinst du nicht?“ Magdalena brauchte Mutters Namen nicht zu nennen; es war klar, dass sie von ihr sprach.
An
Weitere Kostenlose Bücher