01 - Die verbotene Oase - Mein neues Leben im Harem der Frauen
gesündigt, das weiß ich, Frau Egbeme. Ich flehe Sie an, helfen Sie meiner Schwester! Ich bin ihr Bruder. Ich bin für sie verantwortlich.“ Musas kräftige Hände hatten sich vor seiner Brust zu Fäusten geballt. Aus seinem Blick sprach hingegen Machtlosigkeit. Ada packte ihn jetzt fest an den Schultern und zog ihn zurück.
Ich hatte für ihn keine Antwort; im Hof hatten sich wohl so ziemlich alle meine Gefährtinnen versammelt. Dazu die verbliebenen Muslimfrauen, die es nicht mehr auf der Station gehalten hatte. Irgendein Instinkt sagte mir, dass es nicht gut war, wenn sie all das mit ansahen. Ich konnte dieses Gefühl nicht in Worte fassen, doch trotz all der Aufregung beunruhigte es mich. Mit heftigen Worten befahl ich ihnen zurückzugehen, was sie auch taten.
Bevor ich das Heilhaus betrat, war ich durch Magdalenas Bericht bereits auf eine komplizierte Geburt eingestimmt. Auf meiner Behandlungsmatte am Boden lag die in schwarze Tücher gehüllte Tanisha, die dampfende Blechwanne zu ihren Füßen. Efe versuchte ihr löffelweise Wasser zu verabreichen, wobei sie beruhigend auf die Gebärende einsprach. Aber ein leises Zittern in der Stimme verriet ihre Angst. Bisi kniete neben der Schwangeren, ihr hölzernes Hörrohr auf Tanishas dicken Bauch gepresst. Mit einem kurzen Aufblicken gab Bisi mir zu verstehen, dass die Lage sehr ernst war. Sie wirkte dennoch völlig beherrscht. Im Gegensatz zu mir hatte sie schon viele Geburten erlebt. Inklusive meiner eigenen ...
Während ich sterile Handschuhe anzog, schilderte Bisi leise, was sie herausgefunden hatte. „Die Herztöne des Babys sind sehr schwach und unregelmäßig. Die Fruchtblase scheint vor einiger Zeit geplatzt zu sein, das Kind liegt trocken.“ Dann schob sie nach: „Sie ist stark beschnitten.“
„Weiß Tanisha, in welcher Woche sie ist?“, fragte ich.
Bisi schüttelte den Kopf. „Nach meinem Gefühl ist sie zu früh dran.“
Da kam ja allerhand zusammen. Und es war einige Zeit her, dass ich zum letzten Mal eine Frau entbunden hatte. Wenn ich einen Fehler machte - und hier war die Gefahr wirklich groß -, konnte ich Mutter oder Kind verlieren. Wenn nicht gar beide ... Mir war klar, dass ein Krankenhaus jetzt der gefahrlosere Ort gewesen wäre. Vielleicht hätte man dort noch einen Kaiserschnitt machen können. Daran war hier nicht zu denken. Gott hatte mich an diesen Platz gestellt, damit ich half. So betete ich, dass er mich das Richtige tun ließ.
Die Untersuchung ließ eine normale Entbindung, wie ich sie kannte, kaum möglich erscheinen. Tanisha hatte offensichtlich schon einmal ein Baby bekommen. Ihre Beschneidung musste damals schon eine ausgesprochen problematische Geburt verursacht haben. Das stark vernarbte Gewebe ließ darauf schließen, dass sie nach der ersten Geburt einfach wieder zugenäht worden war. Durch die unelastischen Vernarbungen konnte das Baby gar keinen Weg nach draußen finden. Zudem war unmöglich zu erkennen, wie weit der Muttermund überhaupt geöffnet war.
Wieder schrie Tanisha und presste. Was sie jedoch auf keinen Fall mehr tun durfte, denn dadurch war das Kind in großer Gefahr. Ich sah nur eine Möglichkeit - zu schneiden. Allerdings war mir das als Heilerin vom Gesetz her verboten. Darauf konnte ich jetzt keine Rücksicht mehr nehmen. Das Leben von Mutter und Kind hatte Vorrang. Sterile Rasierklingen lagen zum Durchtrennen der Nabelschnur bereit.
In Efes Augen stand das blanke Entsetzen, als ich erklärte, was bevorstand.
„Ich werde schneiden, sobald die nächste Wehe kommt. Haltet sie fest.“
Es war seltsam: Die Panik in Efes Gesicht ließ mich schlagartig ganz ruhig werden. Ich glaubte, mir selbst zuzusehen, als ich den Unterleib von Tanisha desinfizierte und die Klinge bereithielt für den einen kurzen Moment, der mir blieb. Niemals zuvor hatte ich mich an solch eine Operation wagen müssen. Dort, wo ich das Heilen gelernt hatte, lebten keine pharaonisch beschnittenen Frauen, deren verstümmelte Weiblichkeit eine normale Geburt zum Alptraum für jede Gebärende und jede verantwortungsvolle Geburtshelferin werden ließ.
Als der erwartete Augenblick da war, führte ich den Schnitt durch. Jetzt konnte ich erkennen, was mir bislang verborgen geblieben war: Der Muttermund war noch nicht weit genug geöffnet. Gegen dieses Problem wusste ich zum Glück Mittel, die ich Efe sogleich herstellen ließ. Für Tanisha viel gefährlicher war die nun erkennbare Verunreinigung unterhalb des Narbengewebes - mit
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