01 - Die verbotene Oase - Mein neues Leben im Harem der Frauen
Magdalena.
„Und warum fällt Musa das erst jetzt ein?“, meinte ich ratlos.
„Gute Frage!“ Sie kehrte zu ihrer Arbeit zurück.
„Deine Schwester hat Recht“, befand Mama Ada, „es liegt mit Sicherheit an den Vorschriften des Korans. In Fatimas Fall kann es durchaus sein, dass sie nicht mit Jungen gemeinsam unterrichtet werden darf. Zumindest, wenn man den Koran streng auslegt. Das war schon in meiner Kindheit so, Choga.
Manche Mädchen wurden von ihren Eltern grundsätzlich nicht zur Schule geschickt. Mit 14 wurden sie verheiratet und du hast sie nie wieder gesehen.
Das nennen die Muslime Purdah: Eine Frau bleibt ihr Leben lang im Haus. Bis sie eine alte Frau geworden ist.“
„Sie wird doch um ihr ganzes Leben betrogen!“, protestierte ich aufgebracht.
Ada lächelte mich nachsichtig an. „Ach, Kind, weißt du eigentlich, woher das Wort Harem kommt?“
„Wie meinst du das?“
„Im Arabischen bezeichnet al-haram alles, was verboten ist“, antwortete sie.
„Dann war Papa Davids ...“, begann ich.
„Richtig“, unterbrach Mama Ada mich, „der verbotene Bereich. Niemand hatte Zutritt. Haben wir uns dort deswegen etwa unwohl gefühlt?“
„Ganz im Gegenteil“, stimmte ich zu, „bis ich acht war, empfand ich es als den schönsten Ort auf Erden.“ Nun deutete ich auf unsere im Sonnenlicht ruhende Farm. „Bis ich das hier kennen lernen durfte. Als ich dann wieder in den Harem musste, war ich sehr unglücklich.“
„Wir können nur hoffen, dass es Fatima nicht genauso ergehen wird“, sagte Ada nachdenklich. „Trotzdem verstehe ich Musas Verhalten ebenso wenig wie du. Der Mann machte mir den Eindruck eines ausgesprochen liberalen Muslims. So wie eigentlich alle, die wir hier kennen gelernt haben. Was hat ihn umschwenken lassen?“
Am Nachmittag bekamen wir die Antwort. Herr Musa arbeitete schon seit einigen Wochen an der neuen Moschee in Jeba. Fatima hatte sie selbst gezeichnet. Meine Schwester zeigte mir das Blatt. „So ein begabtes Kind“, bedauerte sie. „Das Mädchen ist überdurchschnittlich intelligent, sie rechnet jetzt schon bis 1000. Wenn Fatima von nun an zu Hause eingesperrt würde, das wäre ein Verbrechen!“
Doch Musas Moscheebau erklärte immer noch nicht die Frage, warum er sich ausgerechnet jetzt so radikal verhielt. Leider war es unmöglich, mit Tanisha darüber zu sprechen. Ihre Lippen waren wie versiegelt, und ich hielt es für besser, die Dinge auf sich beruhen zu lassen, bis sie von sich aus reden wollte.
Dann könnte ich immer noch das Gespräch mit ihrem Bruder suchen. Ich beschränkte mich auf meine Heilerinnenrolle und war beruhigt, dass Tanishas Heilung Fortschritte machte und das Baby sich gut entwickelte.
Am nächsten Tag blieb Fatima wie erwartet dem Unterricht fern und auch ein anderes Mädchen kam nicht. Die letzte Schülerin aus dem Ort wurde am Nachmittag von ihrer Mutter abgeholt. Ich bekam die Angelegenheit nur deshalb mit, weil Josh auf der Suche nach Mama Ada war. Er sollte sie zu Magdalena bringen, damit sie beim Übersetzen half. Mit den Eltern der beiden anderen Schülerinnen hatte ich nie etwas zu tun gehabt. Magdalena wartete, bis ich meine Patientinnen versorgt hatte, danach trafen wir uns mit Ada an unserem Lieblingsplatz bei den Bougainvilleabüschen.
„In Jeba wird gegen uns Stimmung gemacht“, trug meine Schwester das Ergebnis des Gesprächs vor. „Es gibt dort einige muslimische Anführer, die den Leuten jeden Kontakt mit uns verboten haben.“
„Wegen Tanisha?“
„Die Mutter, mit der Ada und ich gesprochen haben, hat weder Tanishas Namen erwähnt noch ihre Geschichte“, sagte Magdalena.
„Sie hat nur gesagt, Christinnen dürften ihre Tochter nicht erziehen. Der Koran würde das verbieten“, ergänzte Ada.
„Das ist wenigstens eine klare Aussage“, versuchte ich zu scherzen.
„Warum ausgerechnet jetzt, Choga Regina?“, stieß Magdalena aufgebracht hervor. „Das wussten die doch alle schon vorher.“
„In Jeba hat es früher auch Muslime gegeben, selbst wenn sie eine Minderheit stellten“, sagte Mama Ada. „Der unterschiedliche Glaube war niemals ein Thema. Aber Schwester Ngozi hat schon vor Wochen erzählt, dass die Christen die Muslime anpöbeln und deren Gottesdienste stören. Erinnerst du dich, Choga? Das war, kurz bevor Magdalena kam. Damals haben wir mit dem Mauerbau begonnen.“ Ich stimmte ihr zu. „Vielleicht ist das jetzt die Antwort“, vermutete Ada. „Das hat womöglich gar nichts mit uns
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