01 - Ekstase der Liebe
späten
Nachmittag zusammen mit ihrer Mutter den Ballsaal begutachtete. Der
Parkettboden war so blank poliert, dass sich die blauen Blumen in ihm
widerspiegelten. Der ganze Saal wirkte wie ein aquamarinblauer Ozean.
»Du
wirst schon sehen, Liebling«, meinte ihre Mutter zuversichtlich. »Wenn die
Räume voller Damen sind und die Kerzen brennen, bildet dieses Blau einen
herrlichen Hintergrund. jetzt geh und sieh nach, ob Monsieur Pamplemousse mit
Violettas Frisur fertig ist. Er braucht mindestens eine Stunde und du weißt,
dass wir um acht Uhr essen müssen, da die Gäste für halb zehn erwartet werden.«
Langsam
ging Charlotte nach oben. Wie sollte sie vergessen, was geschehen war? Selbst
jetzt noch konnte sie spüren, wie seine feinen, warmen Lippen sich auf ihre
senkten, wie sich seine großen Hände um ihre Schultern legten und ihren Rücken
hinabglitten. Wie sollte man so etwas vergessen? Warum nur hatte sie nichts
gesagt! Sie war so ein Dummkopf, sie hätte sagen sollen - ja, was nur?
»Entschuldigen Sie, Sir, wie heißen Sie? Reginald? Und heben Sie Ihren Beruf
als Dienstbote?« Charlotte unterdrückte ein Kichern. Sie verstand, was ihre
Mutter meinte. Vergiss es, sagte sie streng zu sich.
Dennoch
konnte sie die Hoffnung nicht aufgeben. Vielleicht war er ja adelig oder ein
Gentleman. Vielleicht würde er zu ihrem Ball kommen und ihre Blicke würden sich
über den Saal hinweg treffen, genau wie auf jenem anderen Ball. Und vielleicht
würde er sich einen Weg durch die Menge zu ihr bahnen und sich vor ihr verbeugen.
Charlottes Augen leuchteten.
Der Ball der Herzogin
von Calverstill für ihre jüngste Tochter war ein Triumph. Bereits um halb neun
drängten sich die Zuschauer auf der Straße vor Calverstill House in der
Hoffnung, Adelige oder sogar königliche Hoheiten hineingehen zu sehen. Um elf
Uhr stand fest, dass der Ball der Höhepunkt der Saison war. Alles, was Rang und
Namen hatte, war da und zahlreiche Skandale machten schnell die Runde, was die
Gesellschaft noch vergnüglicher machte.
Die
Furcht einflößende Lady Jersey höchstpersönlich hatte
erklärt,
dass Adelaides Idee mit den Ritterspornen >herrlich< sei; sie und die
weiteren Schirmherrinnen von Almack hatten Charlotte huldvoll den Zutritt zu
den heiligen Hallen gestattet. Der Ball endete nicht vor Morgengrauen, lange
nachdem das Mitternachtsdiner im Festzelt serviert worden war.
Und was
Charlotte anbelangte: nun ja, sie hatte es überlebt. Sie hat ihr Fest nicht
genossen, dachte ihre Mutter, als sie sich in den frühen Morgenstunden
entkleidete. Es war für alle offensichtlich gewesen. Die ganze Zeit hatte
Charlotte den Saal mit ihren Augen abgesucht, als wäre der Ehrengast noch nicht
gekommen, und war schließlich im Damensalon in Tränen ausgebrochen und musste
unauffällig in die oberen Gemächer gebracht werden.
Aber
sie hatte wundervoll ausgesehen, tröstete Adelaide sich. Viele junge Damen
litten an ihrem Debüt aus reiner Nervosität an Übelkeit, und wenn Charlotte, na
ja, ein wenig zu rückhaltend gewesen war, wer konnte ihr das vorwerfen?
Natürlich war im Ballsaal nicht bekannt gegeben worden, dass die Ehrendame sich
weinend in ihr Bett zurückgezogen hatte.
Gegen
zwei Uhr morgens hatte Adelaide während einer ziemlich langsamen Quadrille
aufgesehen und ihr Blick war auf zwei junge Männer oben an der Treppe gefallen,
die in den Ballsaal hinuntersahen.
Sie
erstarrte und blieb mitten im Tanz stehen, so dass ihr Partner, der ehrenwerte
Sylvester Bredbeck, ins Stolpern geriet.
»Sylvester!«,
sagte Adelaide scharf. »Wer sind diese beiden jungen Männer?«
Sylvester
drehte sich um. »Na ja, keine Lumpen, meine Liebe«, entgegnete er ruhig.
Sylvester war ein jahrelanger guter Freund und wusste alles, was es zu wissen
gab. »Ich glaube der Linke ist Sheffies Erbe (er ist eine Spur größer) und der
andere ist sein Bruder. Lassen Sie mich nachdenken, ich glaube, der Erbe heißt
Alexander und sein Bruder ... Patrick. Sie sind Zwillinge, wie Sie selbst sehen
können, aber Alexander ist fünf Minuten älter und darum um fünf Millionen Pfund
reicher als Patrick.«
Sylvester
führte Adelaide noch durch einige weitere langsame Tänze, während sie
angestrengt nachdachte. Natürlich! Sheffie, der Graf von Sheffield und Downes,
war Sylvesters Freund, und dieser junge Mann dort war sein Erbe ... und sein
jüngerer Sohn ... und beide hatten silberschwarzes Haar. Was um Himmels
willen sollte sie tun?
Vielleicht
sollte sie sich
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