01 - Ekstase der Liebe
besonders gut auswählte.
Miss Virginia war die fünfte in zwei Wochen. Er hob Pippa auf den Arm und
machte sich auf den Weg zum Kinderzimmer.
Um zwei Uhr am
gleichen Nachmittag hatte Campion die alleinige Herrschaft über ein stilles
Calverstill House. Der Herzog und die Herzogin besuchten die neue Ausstellung
italienischer Marmorstatuen, Charlotte hatte den ganzen Morgen gemalt und nahm
gerade ein Bad und kleidete sich an. Baron Holland wurde in einer halben Stunde
erwartet, um sie zu einem Picknick al fresco zu begleiten. Alle
Haushaltsmitglieder hatten mit diskretem Interesse bemerkt, wie oft Baron
Holland Charlotte begleitete. Nicht, dass sie sich über ihn einig gewesen
wären.
Die
Haushälterin Mrs Simpkin war eine große Anhängerin Baron Hollands.
»Er ist ... er ist so romantisch«, meinte sie und klopfte sich dabei auf ihren
üppigen Busen. »Er ist ein echter Gentleman, Mr Campion, immer so vornehm
gekleidet.«
»Das
ist nicht der Punkt, Mrs Simpkin«, sagte Campion streng. »Die Frage ist, ist er
auch darunter ein Gentleman? Warum hat er wohl kein Geld, was glauben Sie? Weil
er höchst wahrscheinlich spielt. Und würde er aufhören zu spielen, wenn er erst
einmal Lady Charlottes Geld hat? Das frage ich Sie!«
»Wir
wissen doch gar nicht, ob er spielt«, protestierte Mrs Simpkin. »Vielleicht hat
er sein Erbe bei einem Feuer verloren.«
»Unwahrscheinlich«,
antwortete Campion. »Höchst unwahrscheinlich, Mrs Simpkin. Wenn es ein Feuer
gegeben hätte, hätten wir darüber gelesen, oder etwa nicht? Und das haben wir
nicht. Also spielt er.«
»Er
liebt sie«, warf Mrs Simpkin unlogisch ein. »Er liebt sie, ich sehe das an
seinen Augen.«
»Seine
Augen!«, rief Campion entrüstet. »Das ist auch so eine Sache: Sie sind zu blau.
Kein Mann hat so blaue Augen.«
Als an
diesem Nachmittag der schwerer Messingtürklopfer betätigt wurde, öffnete
Campion majestätisch die Tür, darauf vorbereitet, Baron Hollands Diener
einzuschüchtern, der zugleich als Lakai diente.
Doch
vor der Tür stand ein anständiger Lakai mit ebenmäßigem Gesicht und großem
Unterkiefer, der von Kopf bis Fuß in einer schicken Livree steckte. Campion
erkannte Klasse, wenn er sie sah, und das war ein Diener mit Klasse.
»Kann
ich Ihnen helfen?«, fragte er mit seiner tiefsten Stimme (denn auch Campion war
ein Diener mit Klasse).
»Der
Graf von Sheffield und Downes ersucht Lady Charlotte Daicheston heute
Nachmittag um ihre Anwesenheit bei einem Picknick al fresco«, sagte der
Mann mit dem großen Unterkiefer.
Zu
diesem Zeitpunkt hatte Campion bereits die elegante, goldbeschlagene Kutsche
bemerkt, die vor dem Haus wartete. Natürlich sollte er darauf hinweisen, dass
Lady Charlotte bereits eine Verabredung hatte, und diesen Lakaien wegschicken.
Aber vielleicht sollte er erst eine Nachricht nach oben senden? Es war
schließlich ein Graf. Und von denen gab es nicht viele.
Campion
beendete seine Überlegungen, ohne mit der Wimper zu zucken. »Ich werde in
Erfahrung bringen, ob Lady Charlotte verfügbar ist«, sagte er und schloss die
riesige Türe von Calverstill House.
Der
Lakai mit Klasse bezog wieder seinen Posten hinter Alex' Kutsche. Für fünf
Minuten kehrte auf Albemarle Square Ruhe ein. Plötzlich flog die Kutschentür
auf und Alex stieg mit Pippa, die etwas unsicher auf seinen Schultern saß, aus
und ging die Stufen hinauf. Energisch schlug er mit dem Türklopfer an die Tür.
Campion
war nicht auf seinem Posten, also öffnete das zweite Hausmädchen, ein ziemlich
schüchternes Ding, das erst vor kurzem zum Dienst in den oberen Etagen
befördert worden war, an seiner Stelle die Tür. Sie war einem echten Grafen,
der Lady Charlotte zu sehen verlangte, nicht gewachsen. Sie machte einen so
tiefen Knicks, dass ihre Knie zusammenschlugen, und floh nach oben.
»Lady
Charlotte«, stammelte sie. »Er ist hier, jetzt, unten, im Grünen Salon, hier.«
Charlotte
sah verwundert auf. Sie saß vor ihrer Frisierkommode, während Marie letzte Hand
an ihr Haar legte. Sie trug ein ärmelloses Ausgehkleid aus rosenroter Seide und
Marie flocht ihr gerade ein Band von derselben Farbe in die Locken.
Charlotte
wusste sofort, wer der Graf von Sheffield und Downes sein musste. Ihr Herz
raste. Ein Teil von ihr sehnte sich danach, zu seiner Kutsche zu eilen, aber
sie hatte eine Verabredung mit Will Holland und es gehörte sich nicht, eine
Verabredung aus einer Laune heraus abzusagen. Maries Hände zitterten vor
Aufregung. Die Klatschspalten
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