01 - Ekstase der Liebe
waren von mit Meldungen über den gut aussehenden
Grafen und seine kürzliche Rückkehr aus Italien.
Unterdessen
packte Campion das um Atem ringende Hausmädchen fest am Arm. Sie konnte sich
einer Strafe wegen der entstellten Nachricht gewiss sein. Kein Dienstbote
durfte sich durch irgendetwas aus der Ruhe bringen lassen, was im Haushalt
geschah, wie er dem niederen Personal gerade vor einer Woche eingeschärft
hatte.
Natürlich
passierte in Calverstill House nichts, was einen Dienstboten aus der Ruhe bringen
konnte, aber dennoch hielt Campion denen, die ihm unterstanden, strenge Vorträge.
Bei diesen niederen Dienstboten wusste man ja nie: Sie konnten jeden Moment
kündigen und sich einem Haushalt voller wankelmütiger Menschen und Trunkenbolde
anschließen. Seine Schulung sollte ihnen untadeliges Verhalten beibringen,
egal, wo sie sich befanden.
Unter
dem Einfluss von Campions stützender Hand an ihrem Arm sammelte sich das zweite
Hausmädchen (ihr Name war Lily) und knickste vor Lady Charlotte. »Der Graf ist
unten und ich habe ihn in den Grünen Salon geführt«, sagte sie ziemlich klar.
»Und er ist nicht allein. Er hat ein kleines Kind bei sich.«
Charlotte
erhob sich. Das Herz klopfte ihr bis zum Hals. »Danke, Lily«, sagte sie. »Ich
werde selbst mit ihm sprechen.« Sie stieg die Treppe hinunter. Zahllose
Gedanken wirbelten in ihrem Kopf durcheinander. Er war doch nicht verheiratet,
oder doch? Ihr wurde schwer ums Herz.
Kurz
vor der Tür des Grünen Salons hielt Charlotte inne. Er war es. Er stand mit dem
Rücken zu ihr, aber sie würde seine breiten Schultern überall wiedererkennen.
Er trug eine elegante, graue Jacke, die ihm wie angegossen passte, und
hautenge, taubengraue Pantalons mit hohen Stiefeln. Ihr Blick blieb an seinen
Füßen hängen.
Zwischen
seinen Beinen saß eines der pummeligsten, entzückendsten Kinder, die sie je
gesehen hatte. Das kleine Gesicht, das zwischen den Stiefeln des Grafen
hervorspähte, hatte runde Wangen mit drei oder vier Grübchen und unverkennbar
die hochfliegenden Augenbrauen des Vaters.
Charlotte
lächelte. Das Gesicht des kleinen Mädchens verzog sich und sie stieß einen
ohrenbetäubenden Schrei aus. In dem Augenblick, als Alex sich umdrehte, trat
Charlotte unwillkürlich einen Schritt zurück. Er zog eine Augenbraue hoch,
setzte das Kind mühelos auf seine Schultern und liebkoste sie. »Ssch«, sagte er
leise. »Das ist kein Kindermädchen, das ist Lady Charlotte. Ssch.«
Charlotte
räusperte sich. Sie wusste nicht, was sie sagen sollte. Sie war dem Mann nie
vorgestellt worden, genau gesagt hatte sie seinen Namen soeben erst von ihrem Butler
erfahren. Nichts, was sie in Lady Chattertons Schule für Mädchen gelernt
hatte, hatte sie auf diese Situation vorbereitet.
Dann
sah er auf und lächelte. Um seine Augenwinkel bildeten sich Fältchen und
Charlotte spürte ein warmes Glühen in ihrem Bauch, das sich allmählich über den
ganzen Körper ausbreitete.
Er trat
vor, hielt seine Tochter auf seinen Schultern fest, streckte feierlich sein
rechtes Bein nach hinten und verbeugte sich tief Pippa gluckste vor Vergnügen,
als sie plötzlich nach vorn gebeugt wurde und dann wieder aufrecht saß.
»Darf
ich Ihnen Lady Pippa McDonough Foakes, die Tochter Alexander McDonough Foakes',
des Grafen von Sheffield und Downes, vorstellen?«, sagte er förmlich. Ein
Lachen stieg in Charlottes Brust auf
»Lady
Pippa«, meinte sie gehorsam und machte einen Knicks.
Pippa
kicherte.
»Pippa«,
sagte ihr Vater, »ich möchte dir Lady Charlotte Daicheston, die Tochter des
Herzogs von Calverstill, vorstellen.«
Pippa
kicherte wieder. Sie hatte ein ansteckendes Lachen und Charlotte lächelte sie
an.
»Ich
werde dich jetzt absetzen, Pippa. Du siehst ja, dass Lady Charlotte als
Kindermädchen nicht in Frage kommt, also möchte ich auch kein Gejammer mehr
hören.« Pippa schien ihn verstanden zu haben, zumindest krabbelte sie, als Alex
sie auf den Boden setzte, zum Sofa, um die gestreiften Troddeln der Sitzkissen
zu verheddern.
Alex
trat noch einen Schritt vor und stand vor Charlotte. Sie errötete leicht. Ihr
Herz klopfte so schnell, dass sie fürchtete, man könnte es durch ihr dünnes
Kleid sehen.
»Wissen
Sie eigentlich«, meinte er leichthin, »dass Sie die erste Frau sind, der ich je
begegnet bin, die ich ständig küssen möchte?«
Charlotte
sah rasch auf und ihre Blicke trafen sich. Sie würde sich nicht wieder wie bei
ihrer letzten Begegnung wie ein Stummfisch
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