01 - Geheimagent Lennet wird ausgebildet
war ihr alles gleichgültig, selbst der Zorn ihres Vaters.
Um sechs Uhr abends war Armand noch immer nicht da.
Hauptmann Montferrand erkundigte sich beim Appell, ob niemand wisse, wo er sei.
»Ich weiß es", sagte Hauptmann Ruggiero. »Aber ich darf es nicht sagen.«
Warum verrät sie sich so? dachte Corinna. Hu, diese alte Ziege!
Um acht Uhr: kein Lennet. Um neun Uhr auch nicht.
An die Reling gelehnt, wartete Corinna auf ein Boot, einen Hubschrauber, einen Fallschirm, auf irgend etwas. Doch nichts traf ein.
Punkt zehn Uhr schlug sie den Weg zum Konferenzzimmer ein. Sie lief Bertrand Bris in die Arme, den sie sonst recht sympathisch fand.
»Corinna, möchten Sie nicht ,Geld oder Leben' mit mir anhören? Fast hätte ich's versäumt: Es ist zehn Uhr.«
Heute haßte sie selbst Bertrand. Sie schüttelte den Kopf und beschleunigte ihren Schritt.
Im Konferenzzimmer drückte sie den Knopf der Sprechanlage.
»Herr Oberst, hier Corinna Matty. Ich möchte Sie sprechen.
Es ist dringend.«
»Paßt Ihnen morgen früh?«
»Nein, noch heute abend, Herr Oberst.«
»Gut. Kommen Sie um elf.«
»Herr Oberst...«
Das rote Licht flammte auf. Das Gespräch war zu Ende. Elf Uhr - Corinna schien es, als wäre dies ein Aufschub, den man Armand gewährt hatte, und gleichzeitig eine Bedrohung des FND. Jedenfalls konnte sie die Unterredung nicht erzwingen...
Sie kehrte in ihre Kabine zurück und streckte sich aus.
Plötzlich öffnete sich geräuschlos die Tür, Bertrand Bris trat ein, den Finger auf den Lippen.
»Ich habe die Leitung unterbrochen, wir haben für fünf Minuten Ruhe", begann er. »Hat Ihnen Armand einen Auftrag hinterlassen?«
»Geht Sie das etwas an?«
»Doch. Weil er mir eben einen anderen gegeben hat.«
»Ist er hier? Er lebt?«
Bertrand umriß kurz die Situation: Oberst Moriol - ein feindlicher Agent... Das war eine sensationelle Geschichte!
Corinna hörte ihm mit funkelnden Augen zu.
»Man muß also den Oberst daran hindern, das Schiff zu verlassen...«, meinte Bertrand. »Immerhin eine peinliche Sache, wenn Armand sich geirrt hat!«
»Das würde ich nie annehmen.«
»Bei Hauptmann Ruggiero hat er sich aber geirrt.« Das mußte Corinna zugeben, doch bezüglich der anzuwendenden Methoden konnten sie sich nicht einigen.
Bertrand wollte zwar Armand gehorchen, aber ohne gegen die Disziplin zu verstoßen. Er schlug vor, die Nacht vor der Tür von Oberst Moriol zu verbringen und ihn lediglich am Weggehen zu hindern.
Corinna war dafür, mit dem falschen Moriol kurzen Prozeß zu machen. »Sie haben vergessen", wandte Bertrand ein, »was uns der Oberst selbst eingeschärft hat: Man tötet feindliche Agenten nicht, man verhört sie.«
Corinna räumte ein, das sei richtig. Aber wenn er durch eine andere Tür entwich? Wußte man denn, wie viele Ausgänge seine Bordwohnung hatte?
Einen einzigen, behauptete Bertrand.
Abschließend - denn man mußte das Gespräch beenden, bevor die Panne in der Leitung bemerkt und von einem der Lehrer behoben wurde sagte Corinna: »Gut, einverstanden. Machen Sie, was Sie wollen. Aber meine Schuld wird es nicht sein, wenn Ihnen etwas zustößt.«
Bertrand schlich in das Konferenzzimmer, trat durch den verbotenen Eingang, machte einen Umweg über den Schaltraum, unterbrach von neuem die Abhörleitung und schritt durch den Gang, der zu Moriols Wohnung führte.
Angenehmerweise waren die Türen mit Schildchen versehen.
Die neben der eigentlichen Wohnungstür war mit »Wartezimmer" bezeichnet. Bertrand schlich geräuschlos hier hinein, hütete sich, Licht anzuschalten, lehnte sich mit dem Rücken an die Wand des finstersten Winkels und bereitete sich darauf vor, die ganze Nacht Wache zu halten.
Nicht ganz eine Stunde war vergangen, da hörte er die Stimme Oberst Moriols im Nebenzimmer: »Was soll diese Überschwemmung hier? Lassen Sie augenblicklich jemanden kommen, um das alles aufzuwischen, und schicken Sie ein paar Leute herauf, um nachzusehen, was los ist.«
Zwei Minuten später wimmelten die Laufgänge von Unteroffizieren, Ordonnanzen und sogar Schülern, die in alle Richtungen eilten, mit Eimern, Schwämmen und Aufwischlappen bewaffnet...
Der Oberst persönlich, eine riesengroß wirkende Erscheinung in seinem Morgenmantel, ging mit wütender Miene im Gang hin und her - er wartete ungeduldig darauf, daß sein Fußboden trocken gemacht wurde - so eilig wie nur möglich.
Was war eigentlich geschehen?
Seine Wohnung lag unmittelbar unter den Quartieren der Lehrer, und
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