01 - Gnadenlos
müssen Sie den Fluß überqueren... hier, und dann stoßen Sie auf diese Flakstellung hier... und die ist, den Notizen nach zu urteilen, sogar noch schlimmer.«
»Hatten die SEALs dort Lufteinsätze geplant, John?« fragte Maxwell gelinde amüsiert. Von der Antwort war er überrascht.
»Die 3. Sondereinsatztruppe war immer knapp an Offizieren. Sie wurden nämlich ständig abgeschossen. Ich war selbst zwei Monate lang als Offizier verantwortlich für die Einheit. Wir alle wußten, wie solche Vorstöße ins Hinterland geplant werden mußten. Denn das war schließlich immer der schwierigste Teil der Einsätze. Verstehen Sie mich bitte nicht falsch, aber auch in den unteren Rängen gibt es Leute mit Grips.«
»Ich habe nie das Gegenteil behauptet«, wandte Maxwell ein.
Kelly grinste. »Das ist aber noch nicht zu allen Offizieren durchgedrungen, Sir.« Er beugte sich wieder über die Karte. »Bei der Planung von solchen Sachen muß man von hinten anfangen. Zuerst überlegen Sie, was Sie alles brauchen, wenn Sie bis zu Ihrem Ziel vorgedrungen sind, und dann müssen Sie einen Weg finden, wie Sie es dorthin bringen.«
»Dazu kommen wir später. Erzählen Sie mir von dem Flußtal«, befahl Maxwell.
Fünfzig Stunden, erinnerte sich Kelly. Ein Hubschrauber hatte ihn in Da Nang abgeholt und auf der Skate, einem UBoot der US-Marine, abgesetzt. Dieses hatte Kelly in die erstaunlich tiefe Mündung jenes verdammten stinkenden Flusses gebracht, von wo er sich hinter einem elektrisch betriebenen Seascooter gegen die Strömung vorangekämpft hatte. Der Scooter lag wahrscheinlich immer noch dort, es sei denn, er hatte sich in den Netzen eines Fischers verfangen. Solange sein Luftvorrat reichte, war er unter Wasser geblieben, und er wußte noch, wieviel Angst er gehabt harte, nun, da er sich nicht mehr unter der kräuseligen Wasseroberfläche verstecken konnte, da es zu gefährlich wurde, sich weiter voranzupirschen, und er sich im hohen Schilf am Ufer verstecken mußte, während auf der Straße am Fluß die Autos vorbeifuhren, dazu das zerfetzende Donnern der Flak auf den Hügelkuppen, und erinnerte sich, wie er sich überlegte, was eine 37-mm-Kugel wohl mit ihm anrichten würde, wenn ihm ein nordvietnamesischer Pfadfinder über den Weg lief und dafür sorgte, daß sein Vater die Antwort auf diese Frage erfuhr. Und nun wollte sein Flaggoffizier das Leben anderer Männer in dieser Gegend aufs Spiel setzen und baute dabei auf sein Urteil, so wie Pam seinem Urteil vertraut hatte. Bei diesem Gedanken lief es dem früheren Chief Bosun's Mate kalt den Rücken hinunter.
»Da draußen ist es nicht gerade gemütlich, Sir. Ihr Sohn kann Ihnen das bestätigen.«
»Aber nicht aus Ihrer Perspektive«, entgegnete Maxwell.
Damit hatte er recht. Dutch, der jüngere, hatte sich in einem hübschen kleinen Versteck eingenistet jede zweite Stunde einen Funkspruch losgelassen und in stiller Qual sein gebrochenes Bein gepflegt, während er darauf wartete, daß die Schlange ihn rausholte. Maxwell junior hatte dem Donnern eben jener Flak gelauscht, die seine A-6 am Himmel in Stücke gerissen hatte und sich jetzt gegen Maschinen richtete, die eben jene Brücke von der Landkarte zu tilgen versuchten, die seine eigenen Bomben verfehlt hatten. Fünfzig Stunden, dachte Kelly, ohne Atempause, ohne Schlaf, besessen von Angst und dem Gedanken an seinen Auftrag.
»Wieviel Zeit haben Sie, Sir?«
»Keine Ahnung. Ehrlich gesagt, weiß ich noch nicht mal, ob wir überhaupt grünes Licht für diesen Einsatz kriegen. Wenn wir den Plan fertig haben, müssen wir ihn vorlegen. Und erst wenn er genehmigt ist, können wir uns Kandidaten suchen, sie trainieren und loslegen.«
»Was ist mit dem Wetter?« fragte Kelly.
»Es geht nur im Herbst und zwar in diesem Herbst, oder wir können es uns abschminken.«
»Glauben Sie, diese Männer kehren nie zurück, wenn wir sie da nicht rausholen?«
»Warum sonst hätten sie ein derartiges Lager einrichten sollen?« entgegnete Maxwell.
»Admiral, ich bin zwar ziemlich gut, aber vergessen Sie nicht, ich gehöre nur zum Fußvolk.«
»Sie sind als einziger jemals in die Nähe dieses Lagers gekommen.« Der Admiral sammelte Fotos und Karten zusammen. Dann drückte er Kelly einen Satz neuer Karten in die Hand. »Und Sie haben dreimal das Angebot ausgeschlagen, die Offiziersschule zu besuchen. Warum eigentlich, John?«
»Wollen Sie die Wahrheit wissen? Das hätte bedeutet, wieder nach Vietnam zu gehen. Und ich habe mein Schicksal
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