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01 - Gnadenlos

01 - Gnadenlos

Titel: 01 - Gnadenlos Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tom Clancy
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lief, wie seine kurzen Beine ihn tragen konnten, und laut auf sie einredete. Kelly zögerte, neugierig beobachtend, wie Sandy stehenblieb und sich umdrehte, wahrscheinlich weil sie es leid war, davonzulaufen, oder sich nur der augenblicklichen Notwendigkeit beugte. Der Arzt war etwa so groß wie sie und sprach so rasch, daß Kelly gar nicht alles verstand. Sandy blickte ihn ausdruckslos an.
    «Der Bericht zu dem Vorfall ist abgelegt, Doktor«, sagte sie in eine kurze Pause seiner Tirade hinein.
    »Sie haben kein Recht, das zu tun!« Die Augen in dem dunklen, schwammigen Gesicht blitzten wütend auf. Kelly sah sich veranlaßt, näher heranzugehen.
    »Doch, das habe ich, Doktor. Ihre Anweisungen waren nicht korrekt. Ich bin die Oberschwester, und ich bin verpflichtet, Irrtümer bei der medizinischen Behandlung zu melden.«
    »Ich befehle Ihnen, diese Meldung zurückzuziehen! Schwestern haben doch Ärzten keine Anweisungen zu erteilen!« Was er dann hörte, gefiel Kelly, vor allem in Anwesenheit von Gottes Ebenbild, überhaupt nicht. Während er zusah, wurde das Gesicht des Arztes immer dunkler, und er beugte sich zur Schwester vor, wobei seine Stimme lauter und lauter wurde. Sandy ihrerseits wich keinen Schritt zurück, sie ließ sich nicht einschüchtern, was den Arzt nur weiter aufstachelte.
    »Entschuldigen Sie«, Kelly mischte sich in den Disput ein, aber nur so weit, daß seine Anwesenheit bemerkt wurde, was ihm aber gleich einen erbosten Blick von Sandra O'Toole eintrug. »Ich weiß nicht, worüber Sie beide sich streiten, aber wenn Sie ein Doktor sind und die Dame hier eine Schwester ist, dann könnten sie Ihre Meinungsverschiedenheiten vielleicht auf professionellere Weise austragen«, schlug er mit leiser Stimme vor.
    Der Arzt schien keinen Ton gehört zu haben. Seit seinem sechzehnten Lebensjahr war Kelly nicht mehr so offensichtlich ignoriert worden. Er zog sich zurück, wollte die Sache Sandy allein überlassen, aber die Stimme des Arztes wurde nur noch lauter, und nun verfiel er in eine Sprache, die Kelly nicht verstand, irgendeine Mischung aus englischen Verbalinjurien und einem fremdländischen Dialekt. Sandy ließ alles standhaft über sich ergehen, und Kelly war stolz auf sie, doch ihre steinerne Miene mußte nun wirkliche Angst verbergen. Ihr ungebrochener Widerstand brachte den Doktor nur weiter auf, und er erhob die Hand und wurde noch lauter. Erst als er sie eine »dreckige Fotze« nannte, was er zweifellos von einem Einheimischen aufgeschnappt hatte, trat eine Unterbrechung ein. Die Faust, mit der er wenige Zentimeter vor Sandys Nase herumgefuchtelt hatte, war, wie er überrascht feststellte, auf einmal von der haarigen Pranke eines sehr großen Mannes umschlossen.
    »Entschuldigen Sie«, sagte Kelly mit ausgesuchter Höflichkeit. »Gibt es da oben jemand, der weiß, wie er eine gebrochene Hand wieder hinkriegt?« Kelly hatte die Faust um die kleinere, zartere Hand des Chirurgen geschlossen und drückte deren Finger zusammen, zunächst nur ein bißchen.
    Ein Sicherheitsbeamter kam gerade durch die Tür, von der lautstarken Auseinandersetzung angezogen. Die Augen des Doktors richteten sich sofort auf ihn.
    »Er wird nicht schnell genug herkommen, um Ihnen zu helfen, Doktor. Wie viele Knochen enthält die menschliche Hand, Sir?« fragte Kelly.
    »Achtundzwanzig«, erwiderte der Arzt automatisch.
    »Möchten Sie sechsundfünfzig?« Kelly verstärkte den Druck.
    Der Blick des Arztes fixierte Kelly, und der kleinere Mann sah ein Gesicht, das weder Wut noch Freude ausdrückte, das einfach da war, ihn ansah, als wäre er irgendein Gegenstand, und dessen höfliche Stimme nur ein spöttischer Ausdruck seiner Überlegenheit war. Vor allem wußte er, daß der Mann ernst machen würde.
    »Entschuldigen Sie sich bei der Dame«, sagte Kelly.
    »Ich lasse mich vor Frauen nicht demütigen!« zischte der Arzt. Noch etwas mehr Druck auf die Hand ließ seine Gesichtszüge entgleisen. Nur noch ein Quentchen mehr Kraft, das wußte er, dann würde etwas splittern.
    »Sie haben sehr schlechte Manieren, Sir. Sie haben nur noch wenig Zeit, bessere zu lernen.« Kelly lächelte. »Jetzt«, befahl er. »Bitte.«
    »Es tut mir leid, Schwester O'Toole«, sagte der Mann, ohne es wirklich zu meinen, aber die Demütigung hinterließ dennoch eine klaffende Wunde in seinem Bewußtsein. Kelly ließ die Hand los. Dann hob er das Namensschild des Arztes hoch und las es, bevor er ihm wieder in die Augen starrte.
    »Fühlen Sie sich

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