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01 - Gnadenlos

01 - Gnadenlos

Titel: 01 - Gnadenlos Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tom Clancy
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Fahrersitz sinken und drehte den Schlüssel um. Die Batterie war nicht mehr die neueste; trotzdem startete der Motor fast auf Anhieb.
    »Lassen Sie ihn ein wenig laufen, damit sich die Batterie auflädt.«
    »Und woran lag es nun?«
    »Ein Kabel hatte sich gelöst. Ich mußte es nur wieder festklemmen.« Kelly sah an sich hinunter und verzog das Gesicht. »Sie müssen in eine Werkstatt fahren und eine neue Dichtung am Zylinderkopf anbringen lassen. Dann dürfte es sich nicht wieder lösen.«
    »Das hätten Sie aber nicht... «
    »Sie müssen morgen schließlich zur Arbeit fahren, oder?« fragte Kelly berechtigterweise. »Wo kann ich mir die Hände waschen?«
    Sandy ging mit ihm ins Haus und zeigte ihm das Badezimmer. Nachdem Kelly sich die Hände tüchtig geschrubbt hatte, kam er wieder zu ihr ins Wohnzimmer.
    »Wo haben Sie gelernt, wie man Autos repariert?« fragte sie, während sie ihm ein Glas Wein reichte.
    »Mein Vater war Hobby-Mechaniker. Wie ich schon sagte, er war bei der Feuerwehr. Da mußte er alles mögliche lernen, und das hat ihm viel Spaß gemacht. Zum Glück hat er es mir dann auch beigebracht.« Kelly prostete ihr zu. Er trank nicht oft Wein, aber dieser schmeckte ihm.
    »War?«
    »Er ist gestorben, während ich in Vietnam war, an einem Herzanfall bei einem Einsatz. Meine Mutter ist auch tot, sie starb an Leberkrebs, als ich noch zur Grundschule ging«, erzählte Kelly so gelassen wie möglich. Allerdings war der Schmerz auch nicht mehr so intensiv wie früher. »Damals war das hart, denn mein Dad und ich standen uns sehr nahe. Er hat geraucht, wahrscheinlich ist er deshalb so früh gestorben. Ich war selbst krank, als es passierte, eine Infektion, die ich mir bei einem Einsatz geholt hatte. Deshalb konnte ich nicht nach Hause. Ich bin dann erst dort aufgetaucht, als es mir wieder besserging.«
    »Ich habe mich schon gewundert, daß Sie keinen Besuch bekommen haben. Aber ich wollte nicht fragen«, sagte Sandy. Jetzt wurde ihr erst bewußt, wie einsam dieser John Kelly war.
    »Ich habe zwar ein paar Onkel und Cousinen und Cousins, aber wir sehen uns nicht oft.«
    Das erklärte einiges, dachte Sandy, wenn man seine Mutter schon als Kind verliert, und dazu durch eine so grausame und langwierige Krankheit. Wahrscheinlich war er immer noch ein großes Kind, stolz und unnahbar, aber hilflos den Ereignissen ausgeliefert. Jede Frau, die ihm etwas bedeutete, war ihm durch die eine oder andere Macht genommen worden: seine Mutter, seine Frau, seine Geliebte. Wieviel Wut sich in ihm angestaut haben muß, sagte sich Sandy. Wirklich, sie sah jetzt klarer. Als Khofan ihr gedroht hatte, hatte Kelly geglaubt, sie in Schutz nehmen zu müssen. Sie dachte zwar immer noch, daß sie mit der Situation allein fertig geworden wäre, doch jetzt konnte sie ihn besser verstehen. Diese Erkenntnis milderte ihren unterschwelligen Ärger; aber auch sein Verhalten trug dazu bei. Er trat ihr nicht zu nahe, zog sie nicht mit seinen Blicken aus - etwas, was Sandy ganz besonders verhaßt war, obwohl sie es ihren Patienten paradoxerweise gestattete, weil sie den Eindruck hatte, daß es ihnen auf die Beine half. Er behandelte sie wie ein Freund, wie einer von Tims Kollegen, mit einer Mischung aus Vertrautheit und Respekt, sah sie als Mensch und erst dann als Frau. Sandra Manning O'Toole stellte fest, daß ihr das gefiel. Obwohl er groß und kräftig war, brauchte sie ihn nicht zu fürchten. Für den Beginn einer Beziehung - wenn es darauf hinauslief - schien das eine seltsame Feststellung.
    Ein klapperndes Geräusch kündigte das Eintreffen der Abendzeitung an. Kelly holte sie und überflog die Titelseite, bevor er sie auf den Couchtisch legte. Die Schlagzeile in der sommerlichen Saure-Gurken-Zeit berichtete vom Tod eines weiteren Drogendealers. Sandy fiel auf, daß Kelly neugierig die ersten Absätze überflog.
    Da Henry den örtlichen Drogenhandel immer mehr an sich riß, gehörte auch der jüngst ermordete Dealer zu seiner Organisation. Er kannte ihn lediglich unter seinem Bandennamen und erfuhr erst aus der Zeitung, daß er Lionell Hall hieß. Persönlich waren sie sich nie begegnet, doch man hatte ihm Bandanna als kluges Köpfchen beschrieben, als jemand, den er besser im Auge behalten sollte. Aber anscheinend nicht clever genug, dachte Tucker. Die Stufen zum Erfolg waren steil und schlüpfrig in dieser Branche, ein brutaler darwinistischer Ausleseprozeß, und anscheinend war Lionell Hall den Anforderungen seines neuen Berufes

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