01 - Gnadenlos
nicht gleich besser, Doktor Khofan? Jetzt werden Sie die Schwester aber nie mehr anbrüllen, zumindest nicht, wenn sie recht hat und Sie nicht, Sir, nicht wahr? Und Sie werden sie nie wieder körperlich bedrohen, ja?« Kelly mußte nicht erläutern, warum das gar nicht gut wäre. Der Arzt knetete seine Finger, um den Schmerz zu verjagen. »Das mögen wir hier gar nicht, verstanden?«
»Ja, in Ordnung«, sagte der Mann, der am liebsten weggelaufen wäre.
Kelly nahm wieder seine Hand und drückte sie lächelnd, gerade stark genug für eine kleine Gedächtnisstütze. »Ich freue mich, daß Sie Verständnis zeigen, Sir. Ich denke, Sie können jetzt gehen.«
Und Dr. Khofan zog sich zurück. Er ging am Sicherheitsposten vorbei, ohne ihn eines Blickes zu würdigen. Der Wachmann warf Kelly einen Blick zu, ließ es jedoch dabei bewenden.
»Mußten Sie das tun?« fragte Sandy.
»Was meinen Sie?« erwiderte Kelly und wandte sich ihr zu.
»Ich hatte es doch im Griff«, sagte sie, schon auf dem Weg zur Tür.
»Ja, das hatten Sie. Worum ging es denn überhaupt?« fragte Kelly in vernünftigem Ton.
»Er hat die falsche Medizin verschrieben; ein älterer Mann, der was am Genick hatte und allergisch gegen das Mittel ist, was auch auf dem Krankenblatt steht«, sagte Sandy, und ihre Worte sprudelten nur so aus ihr heraus, als die Anspannung allmählich von ihr wich. »Es hätte Mr. Johnston wirklich schaden können. Es ist auch nicht das erste Mal bei ihm. Vielleicht wird Doktor Rosen ihn diesmal entlassen, und er will unbedingt bleiben. Er scheucht gern die Schwestern herum. Das gefällt uns auch nicht. Aber ich hatte es im Griff!«
»Na gut, dann lasse ich ihn das nächste Mal Ihre Nase einschlagen.« Kelly deutete auf die Tür. Ein nächstes Mal würde es nicht geben; das hatte er in den Augen des kleinen Schuftes gesehen.
»Und was dann?« fragte Sandy.
»Dann wird er eine Weile aufhören, Chirurg zu sein. Sandy, ich sehe es nicht gern, wenn Leute sich so benehmen, okay? Ich mag keine Menschenschänder, und ich mag es schon gar nicht, wenn sie Frauen herumscheuchen.«
»Und solche Leute machen Sie fertig, oder wie.«
Kelly hielt ihr die Tür auf. »Nein, nicht sehr oft. Meist hören sie auf meine Ermahnungen. Sehen Sie es doch so: Wenn er Sie schlägt, schadet es Ihnen sowie auch ihm. Auf meine Art entsteht kein Schaden, außer vielleicht ein paar verletzten Gefühlen, und daran ist noch keiner gestorben.«
Sandy verfolgte das Thema nicht weiter. Zum Teil war sie verärgert, da sie eigentlich fand, daß sie dem Arzt gut die Stirn geboten hatte. Er war kein besonders guter Mediziner, weil er bei der Nachbehandlung von Patienten viel zu nachlässig arbeitete. Er behandelte zwar nur Sozialfälle mit einfachen Erkrankungen, aber das war nicht der Punkt, das wußte sie. Patienten, für die die Wohlfahrt aufkommen mußte, waren auch Menschen, und in ihrem Beruf verdienten alle Menschen die bestmögliche Pflege. Er hatte ihr Angst gemacht. Sandy war über den Schutz froh gewesen, fühlte sich aber irgendwie hintergangen, weil sie Khofan nicht selbst in die Schranken hatte weisen können. Ihr Bericht zu dem Vorfall würde ihn wahrscheinlich endgültig den Kragen kosten, und die Schwestern auf ihrer Station würden sich darüber ins Fäustchen lachen. Die Schwestern hielten, wie die unteren Dienstränge in einem Truppenteil, in Krankenhäusern den Betrieb aufrecht, und der Arzt war schlecht beraten, der sich mit ihnen anlegte.
Aber O'Toole hatte heute etwas über Kelly gelernt. Jener Blick, den sie gesehen und nicht mehr vergessen hatte, war keine Illusion gewesen. Als er Khofans rechte Hand gehalten hatte, war Johns Miene - ja, völlig ausdruckslos gewesen, er hatte nicht einmal Freude über die Demütigung des kleinen Wurms bekundet, und das machte ihr irgendwie Angst.
»Also, was fehlt Ihrem Wagen?« fragte Kelly, während er auf den Broadway fuhr und nach Norden steuerte.
»Wenn ich das wüßte, wäre er nicht kaputt.«
»Mhm, klingt logisch«, gab Kelly mit einem Lächeln zu.
Er ist ein Wechselbalg, sagte sich Sandy. Er konnte sein Verhalten einfach ein- und ausschalten. Mit Khofan war er wie ein Gangster oder so was umgegangen. Erst hatte er versucht, mit einem vernünftigen Wort die Lage zu beruhigen, aber dann hatte er sich so aufgeführt, als würde er ihm einen bleibenden Schaden zufügen. Einfach so. Völlig emotionslos. Wie das Zertreten eines Ungeziefers. Aber wenn das stimmte, was war er dann? War er
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