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01 - Gnadenlos

01 - Gnadenlos

Titel: 01 - Gnadenlos Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tom Clancy
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weißt, daß ich dich liebe, Baby«, sagte er, während seine Hände sich ihren Weg suchten.
    Sie lächelte vage unter seinem tastenden Griff. »Ja.«
    »Heute nacht geht's rund, Doris. Henry will vorbeikommen.«
    Klick. Als er vier Blocks von dem Sandsteinhaus an der Ecke entfernt aus dem Volkswagen stieg, konnte Kelly fast hören, wie sein Bewußtsein umschaltete. In den »Dschungel« einzutauchen war inzwischen fast schon zur Routine geworden. Dadurch, daß er an diesem Abend - seit... waren es fünf Wochen oder sechs? - zum erstenmal wieder mit einem menschlichen Wesen gegessen hatte, hatte sich in ihm ein gewisses Wohlbefinden ausgebreitet. Aber nun mußte er sich wieder der Aufgabe widmen, die vor ihm lag.
    Er suchte sich ein Plätzchen gegenüber der Straßenecke, erneut einen Eingang mit Marmorsrufen, auf denen sich jeder entgegenkommende Schatten abzeichnen würde, und wartete auf den Roadrunner. Alle paar Minuten hob er die Weinflasche an den Mund eine neue, zur Abwechslung mit rotem Fusel anstatt weißem –, um sich vorgeblich einen Schluck zu genehmigen, während er unablässig nach rechts und links, sogar nach oben und unten spähte, um auch die Fenster im zweiten und dritten Stock im Auge zu haben.
    Einige der Autos waren ihm inzwischen schon vertraut. Er entdeckte den schwarzen Karmann-Ghia, der bei Pams Tod eine Rolle gespielt hatte. Kelly sah, wie sein Fahrer, ein Mann seines Alters mit Schnauzbart auf der Suche nach seiner Connection durch die Straßen strich. Er hätte gern gewußt, unter welchem Problem der Mann litt, daß er es nötig hatte, von seinem wo auch immer gelegenen Wohnort hierher zu kommen, seine körperliche Sicherheit aufs Spiel zu setzen und sein Leben womöglich durch Drogen zu verkürzen. Mit seinem Geld, das in den illegalen Drogenhandel floß, bereitete er außerdem Korruption und sozialer Auflösung den Weg. War ihm das egal? Verschloß er die Augen vor dem, was die Drogengelder in dieser Umgebung anrichteten?
    Doch auf diese Begleiterscheinungen wollte Kelly erst gar nicht weiter eingehen. Noch immer wohnten hier normale Bürger, die sich mehr schlecht als recht durchs Leben schlugen. Ob sie nun von der Sozialhilfe abhängig waren oder von Hilfsarbeiterjobs, für diese Leute lauerte hier Gefahr, und wahrscheinlich hofften sie, irgendwann in eine Gegend ausweichen zu können, wo ein normales Leben möglich war. Sie ignorierten die Dealer, und in ihrer armseligen Rechtschaffenheit gingen sie auch Pennern wie Kelly aus dem Weg. Er konnte sie nicht einmal dafür verurteilen, denn in solch einer Umgebung mußten sie - ebenso wie er - alle Kräfte aufs eigene Überleben konzentrieren. Soziales Mitgefühl war ein Luxus, den sich hier kaum jemand leisten konnte. Bevor man etwas übrig hatte und es demjenigen gab, der bedürftiger war als man selbst, brauchte man zunächst einmal ein gewisses Ausmaß an persönlicher Sicherheit - und abgesehen davon gab es nur wenige, die wirklich bedürftiger waren.
    In gewissen Momenten war es ein Vergnügen, ein Mann zu sein, dachte Henry im Badezimmer. Diese Doris hatte ihre Reize. Maria, das spindeldürre dumme Huhn aus Florida. Xantha, die am stärksten von Drogen abhängig war und den geringsten Anlaß zur Sorge gab, und dann noch Roberta und Paula. Zwei unter zwanzig, und die anderen nur wenig darüber. Einander so ähnlich und doch grundverschieden. Er klopfte sich ein wenig After Shave ins Gesicht. Eigentlich müßte er sich ja eine richtige Lady zulegen, eine, die so toll aussah, daß bei ihrem Anblick den anderen Männern die Augen aus dem Kopf fielen. Aber das war zu gefährlich, damit erregte man Aufsehen. Nein, dieses Arrangement hatte durchaus was für sich. Entspannt und erfrischt verließ er das Badezimmer. Doris lag noch immer da, fast völlig weggetreten durch das Erlebte und die zur Belohnung verabreichten zwei Pillen, und blickte ihn mit einem Lächeln an, das für seine augenblicklichen Bedürfnisse respektvoll genug war. Sie machte die richtigen Laute zum richtigen Zeitpunkt und tat das, was er gern hatte, ohne daß er sie dazu auffordern mußte. Schließlich konnte er sich seine Drinks auch selbst mixen, und die Stille, die durch Alleinsein entstand, war weitaus erträglicher als das öde Schweigen einer dummen Kuh. Als Beweis seines Wohlwollens beugte er sich über Doris und hielt ihr den Finger an die Lippen, den sie mit abwesendem Blick pflichtschuldig küßte.
    »Laß sie schlafen«, wies Henry Billy beim Fortgehen

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