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01 - Gnadenlos

01 - Gnadenlos

Titel: 01 - Gnadenlos Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tom Clancy
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nach. Sandy kam hinter ihr her. »Ja, darüber auch. Was für ein sonderbarer und interessanter Mann.«
    »Ich werfe meine Zeitungen nicht weg. Jede Woche einmal bündle ich sie für die Müllabfuhr zusammen - und ich hab mir die letzten Ausgaben durchgesehen.«
    Sarah schenkte zwei Tassen ein. Wie anmutig sie sich bewegte, dachte Sandy. »Ich weiß, was ich denke. Jetzt sagen Sie mir, was Sie denken«, meinte die Pharmakologin.
    »Ich denke, er bringt Leute um,« Es tat ihr direkt körperlich weh, das auszusprechen.
    »Da haben Sie wohl recht.« Sarah Rosen setzte sich und rieb sich die Augen. »Sie haben Pam nie kennengelernt. Hübscher als Doris, gertenschlank, wahrscheinlich vor allem aufgrund falscher Ernährung. Der Drogenentzug war bei ihr viel leichter. Sie war nicht so schlimm mißhandelt worden, jedenfalls körperlich, aber genauso tief seelisch verletzt. Wir haben nie die ganze Geschichte erfahren. Sam sagt, John kennt sie. Aber das ist jetzt nicht wichtig.« Sarah blickte auf, und der Schmerz, den O'Toole bei ihr sah, war echt und tief. »Wir hatten sie schon gerettet, Sandy, und dann ist es geschehen, und dann ist etwas - irgend etwas in John hat sich etwas verändert.«
    Sandy drehte sich um und sah aus dem Fenster. Es war Viertel vor sieben Uhr früh. Sie sah Leute in Schlafanzügen und Morgenmänteln ihre Zeitungen und Milchflaschen hereinholen. Die Frühaufsteher strebten schon ihren Autos zu, dieser beständige Strom würde hier in der Gegend so etwa bis halb neun anhalten. Sie wandte sich wieder um. »Nein, es hat sich nichts verändert. Es ist schon immer dagewesen. Etwas... ich weiß nicht, hat es nur freigesetzt - herausgelassen? Wie wenn man die Tür eines Käfigs öffnet. Was für ein Mann - zum Teil ist er wie Tim, aber den anderen Teil verstehe ich einfach nicht.«
    »Was ist mit seiner Familie?«
    »Er hat keine. Mutter und Vater sind tot, keine Geschwister. Er ist verheiratet gewesen... «
    »Ja, davon weiß ich. Und dann Pam.« Sarah schüttelte den Kopf. »So einsam.«
    »Etwas in mir sagt, er ist ein guter Mann, doch andererseits... « Sandys Stimme versiegte.
    »Mein Mädchenname war Rabinowicz«, sagte Sarah und trank von ihrem Kaffee. »Meine Familie kommt aus Polen. Papa hat uns verlassen, als ich noch zu jung war, um mich erinnern zu können; Mutter ist gestorben, als ich neun war, Peritonitis. Ich war achtzehn, als der Krieg begann«, fuhr sie fort. Für ihre Generation konnte »der Krieg« nur eines bedeuten. »Wir hatten viele Verwandte in Polen. Ich kann mich erinnern, wie ich ihnen immer geschrieben habe. Dann sind sie alle einfach verschwunden. Alle weg - selbst heute noch kann ich kaum glauben, daß es wirklich geschehen ist.«
    »Es tut mir leid, Sarah, das wußte ich nicht.«
    »Wer spricht schon gern über so etwas?« Dr. Rosen zuckte die Achseln. »Aber man hat mir etwas genommen, und ich konnte nichts dagegen tun. Meine Cousine Reva ist eine gute Brieffreundin gewesen. Ich vermute, sie haben sie auf irgendeine Art umgebracht, aber wer es war oder wo, habe ich nie herausgefunden. Ich war damals noch zu jung, um zu verstehen. Ich nehme an, ich war am ehesten noch verblüfft. Später bin ich wütend gewesen - aber auf wen? Ich habe nichts getan. Ich konnte nicht. Aber da ist dieser leere Fleck, wo Reva war. Ich habe noch ein Bild von ihr, schwarzweiß; ein kleines Mädchen mit Zöpfen, etwa zwölf Jahre alt, schätze ich. Sie wollte Ballettänzerin werden.« Sarah blickte auf. »Kelly hat auch so einen leeren Fleck.«
    »Aber Rache... «
    »Ja, Rache.« Die Miene der Ärztin war ausdruckslos. »Ich weiß. Wir sollen denken, er ist ein schlimmer Mensch, nicht? Sogar die Polizei verständigen, ihn dafür ins Kittchen bringen.«
    »Ich kann es nicht - ich meine, eigentlich schon, aber ich kann einfach... «
    »Genausowenig wie ich. Sandy, wenn er ein böser Mensch wäre, warum hat er dann Doris hierhergebracht? Er riskiert zweifach sein Leben.«
    »Aber etwas an ihm jagt einem Angst ein.«
    »Er hätte sie einfach stehenlassen können«, fuhr Sarah fort, die nicht wirklich zuhörte. »Vielleicht gehört er zu der Sorte Mensch, die denkt sie muß alles selbst in die Hand nehmen. Aber nun müssen wir helfen.«
    Das gab Sandy einen Ruck; es verschaffte ihr eine Atempause von ihren wirklichen Gedanken. »Was werden wir tun?«
    »Wir werden sie gesund machen, soweit es geht, und alles weitere liegt an ihr. Was können wir sonst tun?« fragte Sarah, die zusah, wie Sandys Gesicht

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